Wann

06/09/2021    
19:00 - 21:00

Wo

Villa Merländer
Friedrich-Ebert-Straße 42, Krefeld, NRW, 47799

Veranstaltungstyp

Die Krefelder Autorin Liesel Willems zu Gast im Garten der Villa Merländer – in Kooperation mit Amnesty International Krefeld. Um Voranmeldung unter
ns-doku@krefeld.de wird gebeten. Der Eintritt ist frei, das Haus freut sich über Spenden.
„Vater, ich möchte mein Erstaunen darüber lesbar machen, dass du in meiner Erinnerung zu meinem unermüdlichen Fürsprecher wurdest. Mit deinem Mantel der Verschwiegenheit, der mir für meinen kleinen Körper mit Sorgfalt umgelegt.
Vielleicht erhöht dein Schweigen den schönen Schein, zu einem Maß, das mich verstört. Es schließt Verschwiegenes ein, den Mut zum Widerspruch, die Macht der Redner.
Mit dir und deiner Zeit will ich ins Reden geraten, wohlwissend, dass das Vergangene meiner Gegenwart die Treue hält, auf eine mir gewogene, eigenwillige Art. Du kannst nicht gegenlesen, nicht einmal das.“
Im neuen Roman der Krefelder Schriftstellerin und Trägerin des Niederrheinischen Literaturpreises Liesel Willems ist die eigene Biographie Antrieb zum Schreiben geworden.
Nachsicht ist die Sicht auf das Leben ihres Vaters – mit dem sie selbst nur zwölf Jahre ihres Lebens verbracht hat. Wie nähert man sich jemandem, der eigentlich so selbstverständlich zum Leben dazugehört und sich doch nicht durch ein klar greifbares Bild in den Vordergrund drängt? Wie setzt man sich mit einem Gegenüber auseinander dass nicht mehr befragt werden kann?
Liesel Willems wählt die Nachsicht. Die Sicht auf die Zeit, in der ihr Vater geboren wurde und aufwuchs. In der er ihre Mutter kennenlernt, ihr Briefe schreibt, weil sie die ersten 17 Jahre der gemeinsamen Beziehung voneinander getrennt leben müssen.
In diesen Zeugnissen einer Liebesgeschichte unter schwierigen Bedingungen, macht sich die Autorin auf die Suche nach dem Ausdruck ihres Vaters, nach seiner Persönlichkeit, nach seinem Blick auf die Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus.
Sie tritt mit ihm ins Gespräch und stellt die Fragen, die so viele ihrer Generation ihren Eltern stellen wollen, stellen sollten, stellen müssen. Sie weiß, dass sie keine Antworten von ihm bekommen kann und dennoch mit dem Stellen der Fragen die mögliche Schuld, die er auf sich geladen haben könnte, miteinberechnet.
Sie fährt an die Orte, an denen er als Polizist und Soldat bei der Wehrmacht stationiert war. Sie besucht Archive und die heutigen Gedenkstätten der damaligen Tatorte. Sie lässt Zeitzeugen und Zeitdokumente zu Wort kommen und zieht ihre Mutter hinzu, um das unfassbare fassbar zu machen.
Liesel Willems nimmt ihre Leserinnen und Leser mit in ihre eigene Sprachlosigkeit. In ihre Verzweiflung genauso wie in ihr Hoffen. Sie seziert mit ihrer Sprache vorsichtig und trotzdem in einer Klarheit, die keine Zweifel lässt an dem, was ihr begegnet: dem Menschlichen wie Unmenschlichen und der Sorge, dass auch die Nachsicht uns nicht schützt vor all dem, was auch jetzt wieder auf uns zukommen könnte, angesichts der Zunahme radikaler Tendenzen und der Infragestellung demokratischer Strukturen.

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