Mit der zunehmenden Industrialisierung in Deutschland, entstanden ab Mitte des 19. Jahrhunderts mehr und mehr Arbeiterkneipen. Sie waren alltägliche Sozialräume zwischen Fabrik und Wohnung und für die Arbeiterbewegung relevante politische Räume. Versammlungen wurden dort abgehalten, Arbeitskämpfe geplant. Mit dem Aufkommen des Faschismus in Deutschland seit den 1920er Jahren wurden gerade kommunistische, sozialdemokratische und anarchistische Arbeiterkneipen zu bedeutenden antifaschistischen Orten. Zeitgleich nahm die Anzahl der faschistischen Kneipen zu. Nationalsozialisten trafen sich dort und zogen im Anschluss durch die Straßen, um Andersdenkende einzuschüchtern. Die kommunistischen, sozialdemokratischen und anarchistischen Arbeiterkneipen wiederum versuchten als politische Gegenorte weiterhin eine wichtige Anlaufstelle für Antifaschist:innen zu sein. Es kam in der Zwischenkriegszeit zu zahlreichen Straßenschlachten und Kneipenkämpfen zwischen Kommunisten und Nazis, die zum Teil tödlich endeten. Wirte wurden überwacht und bedroht, das Kneipenmobiliar von Schlägertrupps zerlegt.
Nach der Machtübertragung durch die Nationalsozialisten 1933 und einer politischen Gleichschaltung erfuhren linke Arbeiterkneipen eine noch stärkere Repression durch die diktatorische Regierung. Nationalsozialisten wandelten alte Arbeiterkneipen in faschistische Räume um. Einige Wirt:innen versuchten standhaft einen antifaschistischen Raum zu bieten und wehrten sich gegen Gewalt, bis zur völligen Zerschlagung jeglicher Opposition. Der Vortrag zeigt die Entwicklung der deutschen Arbeiterkneipe zu einem wichtigen antifaschistischen Raum auf. Er fragt nach den Politikformen der Wirt:innen und Gäste und nach deren Art, in Arbeiterkneipen Politik zu machen. Dabei werden Praktiken zur Raumaneignung in den Blick genommen. Im Anschluss wird in einem kurzen Ausblick auf die postfaschistische Zeit in Deutschland geblickt und gefragt, welche Relevanz die Arbeiterkneipe fortan für antifaschistische Politik hatte.
Mareen Heying hat Geschichte, Gender Studies und Philosophie in Bochum, Düsseldorf und Bologna studiert und wurde 2017 in Bochum und Bologna promoviert. Sie arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin am LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte (2023-2024), am Lehrgebiet Geschichte der Europäischen Moderne der FernUniversität in Hagen (2019-2023) und am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (2016-2018). Als Gastwissenschaftlerin war sie an der Universität von Padova (2015-2016) und hat Fellowships im India Branch Office der Max Weber Stiftung in Delhi und am Deutschen Historischen Institut in Rom wahrgenommen. Ihre Doktorarbeit „Huren in Bewegung. Kämpfe von Sexarbeiterinnen in Deutschland und Italien, 1980 bis 2001“ wurde 2018 mit dem Dissertationspreis des Arbeitskreises Historische Frauen- und Geschlechterforschung ausgezeichnet. Aktuell arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für soziale Bewegungen in Bochum.
Die Teilnahme ist frei, um Voranmeldung unter ns-doku@krefeld.de wird gebeten. Der Förderverein Villa Merländer e.V. freut sich über Spenden zugunsten der Bildungsarbeit