Agnès Humbert, Résistance. Erinnerungen an den Widerstand 1940 - 1945, Aus dem Französischen von Ingrid Schupetta und Justin Winkler, Wien 2024

Ein Beitrag von Dr. Claudia Flümann, stellvertretende Vorsitzende des Villa Merländer e.V.:

Wer erinnert sich in Krefeld noch an Agnès Humbert? So, wie sich Agnès Humbert zeitlebens an Krefeld erinnerte, vermutlich niemand.
1946 schrieb sie ihre Erinnerungen nieder, welche zuerst in ihrem Heimatland Frankreich und bald darauf in englischer, türkischer, hebräischer und anderen Sprachen veröffentlicht wurden, nicht jedoch auf Deutsch. Krefeld spielt eine wichtige Rolle in diesen Erinnerungen, denn hier musste die 1894 in Dieppe geborene Kunsthistorikerin und Ethnologin zwischen April 1942 und Oktober 1943 unter teils unerträglichen Bedingungen Zwangsarbeit leisten. Unmittelbar nach der Besetzung Frankreichs im Juni 1940 schloss sich Agnès Humbert in Paris dem Widerstand an. Nur wenige Monate später, im April 1941, flog ihre Gruppe auf. Während die Männer zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden, kamen die Frauen um Agnès Humbert mit einer Verurteilung zu fünf Jahren Zwangsarbeit in Deutschland davon. Man brachte die Mutter von zwei erwachsenen Söhnen in die Strafanstalt Anrath, welche sich bereits einen Ruf als besonders schlimmer Haftort erworben hatte. Humberts Schilderungen machen dies unmittelbar nachvollziehbar.
Ihr Einsatzort, an den sie zusammen mit deutschen Strafgefangenen, aber auch anderen politischen Häftlingen aus den besetzten Nachbarländern gebracht wird, sind die Phrix-Werke in Krefeld Linn. Sie gehören zur 1937 gegründeten Rheinischen Kunstseide AG. Aus dem Naturstoff Zellulose wird hier mittels aufwändiger chemischer Prozesse Kunstseide hergestellt. Wie überall fehlen durch den Krieg Arbeitskräfte, welche durch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter ersetzt werden. Die Frauen um Agnès Humbert müssen teils ohne Schutzmaßnahmen schwere und gefährliche Arbeiten an den Maschinen verrichten. Alle erleiden sie massive gesundheitliche Schäden. Verätzungen der Haut und der Augen bis hin zur Erblindung sind an der Tagesordnung. All dies beschreibt Agnès Humbert in einem bisweilen distanziert-sarkastischen, literarischen Stil. Sie ist eine genaue Beobachterin ihrer Mitmenschen, seien es Leidensgenossinnen oder Täter. Bei den Deutschen, denen sie begegnet, differenziert sie sehr genau – das Spektrum reicht von dem sadistischen Anstaltsleiter des Anrather Gefängnisses bis zu einem hilfreichen Polizisten, der ihr sogar Fluchthilfe anbietet.
Die nun erschienene deutsche Übersetzung schließt eine wichtige Lücke und macht einen Text zugänglich, der für das Thema Zwangsarbeit in Krefeld von zentraler Bedeutung ist. Darüber hinaus zeichnet das Buch ein lebendiges (Selbst-)Portrait einer starken Frau, für die das Engagement für die eigenen Überzeugungen auch unter widrigsten Umständen eine Selbstverständlichkeit war. Man wünscht ihm viele interessierte Leserinnen und Leser.

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