Johannes Böckling
Stephanstraße 62

Stolperstein-Geschichten in Krefeld

Widerstand aus christlicher Überzeugung

Johannes Böckling kam am 18.06.1908 in Krefeld als ältester Sohn von Johannes und Adelheid Böckling zur Welt. Johannes Böckling sen. war Mitinhaber der Möbelfabrik J.A. Böckling, die an der Vinzenzstraße gelegen war, im Haus Rheinstraße 29-31 ein eigenes Ladenlokal hatte und rund 300 Mitarbeiter beschäftigte. Johannes Böckling jun. hatte noch zwei Geschwister, die 1910 geborene Schwester Adele und den 1924 geborenen Bruder Bruno.

Seit 1923 wohnte die Familie Böckling im Haus Gerberstraße 30. Wirtschaftliche Schwierigkeiten führten dazu, dass die Fabrik im Frühjahr 1927 schließen musste. Johannes Böckling sen. verstarb kurz darauf im Juni 1927. Johannes jun. war im März im März 1927 nach München gegangen und begann dort eine Lehre als Möbelschreiner. Nach einer Unterbrechung durch den Tod des Vaters setze er die Lehre fort, an die er eine kaufmännische Ausbildung anschloss. Im April 1931 kehrte er nach Krefeld zurück.

Böckling war katholisch und als Pfadfinder aktiv gewesen. Nach seiner Rückkehr aus München begann er sich politisch zu engagieren und trat der bündischen Jugend bei, der von Dr. Hans Ebeling gegründeten „Pfadfinderschaft Westmark – Jungnationaler Bund“. In seiner Familie wird tradiert, dass Johannes Böckling sich bei seinen nun folgenden Aktivitäten weiterhin von einer christlichen Grundhaltung leiten ließ.

Ebeling, gebürtiger und hier noch ansässiger Krefelder, war Offizier im Ersten Weltkrieg gewesen. Danach hatte er als Reichswehrangehöriger gegen die rote Ruhrarmee gekämpft. Seit Beginn der 1920er Jahre war er führendes Mitglied des „Jungnationalen Bundes“ (Junabu) gewesen. Nach einem Studium der Nationalökonomie war Ebeling als Publizist tätig, seit 1930 als Mitherausgeber der Zeitschrift „Der Vorkämpfer“. Im politischen Spektrum der Weimarer Republik waren Ebeling und seine Gruppe den sogenannten Nationalrevolutionären zuzuordnen. Diese „linken Leute von rechts“ hatten eine politisch rechte Gesinnung und waren strickt national eingestellt. Auf der anderen Seite begrüßten sie die Entwicklung in der Sowjetunion und waren punktuell zur Zusammenarbeit mit Kommunisten bereit.

Wohl schon kurz nach seinem Beitritt gehörte Johannes Böckling neben Ebeling zu den führenden Mitgliedern der Gruppe. Da die Nationalbolschewisten trotz einiger Berührungspunkte durchaus anti-nationalsozialistisch eingestellt waren, gerieten sie nach der sogenannten Machtergreifung im Frühjahr 1933 sofort in das Blickfeld der Polizei. Im Februar 1933 fanden Hausdurchsuchungen statt, bei denen Waffen gefunden wurden. Ebeling, Böckling und einige andere wurden verhaftet, kamen aber bald wieder frei.

In der ersten Zeit der NS-Herrschaft versuchte Ebeling, seine Organisation zusammenzuhalten und weitestgehend im Untergrund zu operieren. Dies gelang aber nicht. Die Gruppe stand unter ständiger Beobachtung durch die Gestapo, die Post der Mitglieder wurde kontrolliert. Zum 11.01.1934, dem 11. Jahrestag des Ruhreinmarsches der Franzosen, löste sich die Pfadfinderschaft Westmark offiziell auf. Ebeling gelang im August 1934 kurz vor seiner Verhaftung die Flucht in die Niederlande.

Johannes Böckling heiratete im September 1934 die 1902 in Krefeld geborene Adelgunde Vieten. Aus einer ersten Ehe hatte sie eine kleine Tochter. Auch Adelgunde war in der Gruppe aktiv. Die Familie wohnte nun im Haus Stephanstraße 62. Böckling unterhielt aber in seinem Elternhaus an der Gerberstraße noch ein Büro, von dem aus er versuchte, die Geschäfte des Bundes im Geheimen weiter zu führen. Über Kuriere hielt er den Kontakt zu Hans Ebeling in den Niederlanden, über Briefe zu den Gefolgsleuten der Gruppe im ganzen Reich. Durch die umfangreiche Kontrolle war die Gestapo aber über fast alle Schritte informiert und schlug nun zu.

Laut Albert Eickhoff, einem Mitglied des Bundes aus Krefeld, wurde Johannes Böckling am 8.09.1935 in Köln verhaftet. Dort sollte er eine Nachricht erhalten, das Treffen war aber durch einen Spitzel verraten worden. Böckling wurde an die Düsseldorfer Gestapo ausgeliefert und dort unter fürchterlichen Misshandlungen verhört. Am folgenden Tag wurden die Krefelder Mitglieder verhaftet, darunter Adelgunde Böckling, und kamen dann ebenfalls in das Düsseldorfer Polizeigefängnis. Auch aus anderen Städten wurden die Verhafteten dorthin gebracht, schließlich insgesamt 21 Personen.

Bei den nun folgenden Vernehmungen kam es zu weiteren massiven Misshandlungen einiger Verhafteter, unter ihnen Johannes Böcklings. Alle Verhafteten blieben in Untersuchungshaft. Zeitzeugen berichten, dass ein Grund für die erfolgten Festnahmen ein Plan der Gruppe war, bei der geplanten Einweihung der Uerdinger Rheinbrücke ein Attentat auf Hitler zu verüben.

Im Juni 1937 begann der Prozess gegen 21 Junabu-Mtglieder vor dem Volksgerichtshof in Essen. Die Anklage lautete „Vorbereitung zum Hoch- und Landesverrat“. Neun der Angeklagten, darunter Adelgunde Böckling, waren aus Mangel an Beweisen schon im März 1936 außer Verfolgung gesetzt worden. Johannes Böckling, einem der Hauptangeklagten, drohte die Todesstrafe. Der Prozess sollte vor allem dazu dienen, oppositionelle Anhänger der bündischen Jugend abzuschrecken und einzuschüchtern. Auf der anderen Seite gelang es Hans Ebeling, in Belgien, Großbritannien und den Niederlanden eine umfangreiche Protestkampagne zu organisieren, die unter anderem dazu führte, dass sich die britische Regierung offiziell nach dem Essener Prozess erkundigte.

Wohl nicht zuletzt dieser Protest führte dazu, dass Johannes Böckling nicht zum Tode verurteilt wurde, sondern eine 12jährige Zuchthausstrafe erhielt. Dies war aber die weitaus höchste Strafzumessung. Vier Verfahren waren noch eingestellt worden, sieben Angeklagte erhielten geringere Haftstrafen. Ein Angeklagter aus Krefeld, Dr. Wegerhoff, war während der Untersuchungshaft auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen.

Die folgenden Jahre verbrachte Johannes Böckling im Düsseldorfer Zuchthaus Ulmer Höhe. Sein Bruder Bruno besuchte ihn dort Ende des Jahres 1942. Nach seinen Erinnerungen war Johannes Böckling zu diesem Zeitpunkt ausgemergelt und wies Wundmale auf, als sei er geschlagen worden. Am 7.01.1943 starb Johannes Böckling im Zuchthaus. Eine genaue Todesursache wurde nicht angegeben.

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