Villa Merländer-Verein begrüßt Entscheidung des Rats

Stolpersteine können in Krefeld zukünftig ohne Genehmigung von Eigentümern gelegt werden

In Krefeld können Stolpersteine zukünftig ohne die Genehmigung von Hauseigentümern gelegt werden. Das hat am Dienstag, den 20. Juni, der Krefelder Rat entschieden. Für den Vorstand des Villa Merländer-Vereins, der die Stolperstein-Verlegungen in Krefeld betreut und in Kooperation mit der NS-Dokumentationsstelle durchführt, ist das ein wichtiger Schritt, der nicht nur die Arbeitsabläufe erleichtert, sondern auch überregional ein wichtiges Zeichen setzt.

„Wir waren eine der letzten Städte in Deutschland, in denen Stolpersteinverlegungen auf diese Weise vorbereitet werden mussten und nur dann erfolgen konnten, wenn Eigentümer zustimmten. Das hat immer wieder dafür gesorgt, dass wir unsere Erinnerungsarbeit einschränken mussten oder es zu großem Mehraufwand kam“, erklärt Sibylle Kühne-Franken als Vorsitzende des Vereins. Erst im vergangenen Jahr musste eine Stolpersteinverlegung kurzfristig abgesagt werden, weil Eigentümer trotz vieler Gespräche der besonderen Erinnerungsform nicht zustimmen wollten. Auch bei einer weiteren Verlegung benötigte es viele Überredungsversuche – am Ende musste ein anderer Verlegungsplatz – abseits des Publikumsverkehrs – ausgewählt werden. „Das hat auch außerhalb von Krefeld für Verwunderung gesorgt, denn hier in Krefeld beruht dieses Vorgehen auf einem alten politischen Beschluss, der uns genau dieses Vorgehen vorgibt. So eine Art des Beschlusses ist in der Stolperstein-Community unüblich“, erklärt die Vorsitzende. „Wir sind froh, dass die Krefelder Politik das heute genauso sieht wie wir und einstimmig zugestimmt hat, das Vorgehen zu ändern. Krefeld ist eine weltoffene und tolerante Stadt – dazu passt nun auch der Ratsbeschluss.“

Zukünftig müssen Eigentümer, an dessen Grundstück der Bürgersteig, auf dem ein oder mehrere Stolpersteine verlegt werden, nur noch durch den Verein informiert, aber nicht mehr ihre Erlaubnis eingeholt werden. „Die Information ist selbsterklärend, denn wir hoffen natürlich, dass sich die Eigentümer im besten Fall auch für unsere Verlegung interessieren. Zu unseren Verlegungen sind sie immer herzlich eingeladen“, schildert Kühne-Franken weiter. „Das klappt schon jetzt in den meisten Fällen gut. Viele Nachbarn und Eigentümer sind bei den Verlegungen dabei.“

Generell nimmt der Verein ein gesteigertes Interesse an Stolpersteinen in Krefeld wahr. Nicht nur die regelmäßigen Führungen zu den Stolperstein-Biographien sind gut besucht, sondern auch die Kooperationen zu Schulen werden immer mehr. Insgesamt unterhält die NS-Dokumentationsstelle inzwischen mit 16 Schulen unterschiedlicher Bildungsformen Bildungspartnerschaften. Viele der Schulen nehmen am jährlichen Stolperstein-Putztag statt. Einige haben selbst Gelder gesammelt, um im Rahmen des erweiterten Unterrichts Stolpersteine in Kooperation mit der NS-Dokumentationsstelle der Stadt zu verlegen.

Für Sandra Franz als Leiterin der NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld sind die Stolpersteine ein wichtiges Instrument im Rahmen der Erinnerungsarbeit, erzählt sie: „Die Stolpersteine sind inzwischen zu einem festen Bestandteil unserer Bildungsarbeit geworden und sorgen für eine starke Bindung der Jugendlichen an die lokalen Schicksale. Auch bei Rundgängen und Gedenkgängen sind diese dezentralen Denkmäler kaum noch wegzudenken. Zudem vermittelt jeder Stein deutlich die Botschaft: Hier war einmal ein Mensch zuhause mit einem Namen und einer Geschichte. und die Nationalsozialisten haben es nicht geschafft, diese auszulöschen.“

So kommt es, dass inzwischen mehr als 220 Stolpersteine im gesamten Stadtgebiet an Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Nicht nur jüdische Opfer des Holocausts wird mit den Stolpersteinen gedacht, genauso gedenket der Verein Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Homosexuellen, geistig und körperlich Kranken und Menschen, die aufgrund ihrer politischen Einstellung verfolgt wurden oder weil sie mit ihrem Lebensentwurf nicht in das Weltbild des Nationalsozialismus passten. Der Künstler Gunter Demnig rief die Stolpersteine bundesweit ins Leben und verlegt bis heute jeden einzelnen Stein selbst.

2006 fand die erste Verlegung in Krefeld statt. Der Weg dahin war nicht leicht, denn vor allem in den ersten Jahren hatte das Projekt mit großem Widerstand, vor allem von politischer Seite, zu kämpfen. Den ersten Stolperstein initiierte 2003 die Rheinische Schule für Körperbehinderte Krefeld (Gerd-Jansen-Schule) gemeinsam mit dem Villa Merländer-Verein im Rahmen eines Wettbewerbs der Bundeszentrale für Politische Bildung. Wenig später ergriff auch die Kurt-Tucholsky-Gesamtschule die Initiative und setzte einen Stein.

Im Jahr 2005 trug man die Beschlussfassung über Stolpersteine in Krefeld in die Ratssitzung: Dieser lehnte überraschend das Projekt ab. Die Stolpersteine entwickelten sich anschließend zu einer Herzensangelegenheit vieler Krefelder. Auf die Initiative der Überlebenden Dr. Ruth Frank und Ilse Kassel sowie von Schüler- und Schülerinnen und ihren Lehrkräften der Kurt-Tucholsky-Schule konnten 14.000 Unterschriften für eine Umsetzung des Projektes gesammelt werden.

Der damalige Oberbürgermeister Gregor Kathstede erreichte einen Kompromiss: Wenn die Hauseigentümer sich nicht ausdrücklich gegen einen Stolperstein aussprachen und Verwandte der Opfer keine Einwände hätten, dürften ab jetzt Stolpersteine gelegt werden. Seither betreut der Villa Merländer-Verein die Verlegung und Koordination der Stolpersteine in Krefeld und sorgt für die Aufarbeitung der individuellen Schicksale der NS-Opfer.

Die Stolpersteine finanzieren sich ausschließlich über Spenden. 120 Euro sind für die Verlegung eines Stolpersteines notwendig. Mehr Informationen zum Projekt gibt es online auf https://villamerlaender.de/stolpersteine-fuer-krefeld/.

Das gibt es sonst noch Neues in der Villa Merländer: