Öffnungszeiten: Mittwoch 9 bis 14 Uhr und jeden vierten Sonntag 14 bis 17 Uhr; eine Stunde vor und nach Veranstaltungsbeginn, sowie nach Vereinbarung.
Am Wochenende gab es ein ganz besonderes Ereignis in Krefeld: Es ist eine neue Thora in die Krefelder Synagoge eingezogen. Das Schreiben einer Thora unterliegt einem komplexen Prozess, deswegen kommt das sehr selten vor. Das letzte Mal bekam die Jüdische Gemeinde in 2012 eine neue Thora.
Symbolisch wurde am Wochenende die neue Thora in der Villa Merländer zu Ende geschrieben. Von da aus ging es in einer bunten, feierlichen Prozession mit viel Tanz und Musik bis zur Krefelder Synagoge. Mit Absicht wählten wir dabei den Weg vorbei am Ärztehaus am Bismarckplatz. Hier war früher die Kreisverwaltung der NSDAP und von hier wurde zum Beispiel der Aufruf zum Krefelder Novemberpogrome an die entsprechenden Organisationen kommuniziert. Wir haben am Wochenende gezeigt, wie fröhlich und ausgelassen jüdisches Leben in Krefeld ist. Als NS-Dokumentationsstelle haben wir uns sehr gefreut, dass wir Teil dieses besonderen Festes sein durften.
Die Thora (Belehrung) ist der erste und wichtigste Teil der hebräischen Bibel, des „Tanach“. Sie ist in hebräischen Buchstaben ohne Vokale geschrieben und umfasst die fünf Bücher Moses mit den 613 Vorschriften (248 Gebote und 365 Verbote). Sie beginnt mit dem Wort „Bereschit“ – „Im Anfang“. Insgesamt hat die Thora 304.805 Buchstaben, es dauert etwa ein Jahr, sie mit der Hand zu schreiben. Das Wort Thora kann übersetzt werden als Lehre, Unterricht, Belehrung oder Gesetz. Innerhalb der Religionsgemeinschaft gilt das ungeschriebene Gesetz, dass beim Kopieren der Thorarolle kein Buchstabe – auch wenn er falsch, zu klein oder zu groß geschrieben ist – verändert werden darf.
Die Thorarolle ist auf zwei Stäbe aufgewickelt. Die Holzstäbe werden als „Baum des Lebens“ bezeichnet. Um die Thorarolle wird ein spezielles Stoffband gebunden und anschließend wird sie mit einem reich bestickten Mantel, der sie beschützen und verzieren soll, bedeckt. Die kostbare Schriftenrolle darf nicht mit bloßen Händen berührt werden. Als Lesehilfe dient ein silberner Stab, an dessen Ende sich eine kleine Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger befindet.
Sofer ist die Bezeichnung für denjenigen, der von Hand neue Kopien der Thora anfertigt oder alte, zerschlissene Exemplare restauriert. Innerhalb der Gemeinde ist der Beruf besonders hoch angesehen. Macht der Sofer auch nur einen einzigen Schreibfehler, muss der gesamte Schreibprozess erneut beginnen und die angefangene Rolle ist nicht mehr verwendbar. Im Talmud heißt es: Wenn auch nur ein Buchstabe hinzugefügt oder weggelassen würde, könnte das die ganze Welt zerstören.
Der Tradition entsprechend wird eine neue Thorarolle unvollendet in eine Synagoge gebracht, es fehlen noch die letzten zwölf Buchstaben des 5. Buch Moses („Vor den Augen von ganz Israel“). Diese werden in der Synagoge exakt von Hand geschrieben. Die „Vollendung“ findet nach festgeschriebenen Regeln in einer ca. einstündigen Feierstunde statt. Obwohl die Thora der Tradition entsprechend nur von einem Schreiber erstellt werden darf, gibt es zu besonderen Anlässen Ausnahmen und es ist eine besondere Ehre für Rabbiner, Thoraspender und bedeutende Persönlichkeiten an dieser „Vollendung“ aktiv teilzunehmen. In Krefeld durften u.a. Michael Gilad (ehemaliger langjähriger Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde und Initiator der neuen Thorarolle für Krefeld) und Samuel Naydych (aktueller Vorsitzender der Gemeinde) die Hand des Sofers „führen“, ebenso wie Dr. Oded Horowitz (Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf) und die Rabbiner wichtiger befreundeter Gemeinden.