Baarlo (NL)

Das Denkmal des Partisanenlagers

Während des Krieges war der niederländische Widerstand gegen die deutsche Besatzung immer stärker geworden. Am Ende wurden Abteilungen der Widerstandsorganisation KP nach Venlo geschickt. Sie warteten hier in relativer Sicherheit auf den Abwurf von Waffen durch alliierte Flugzeuge.

Einige der Männer hatten auf einem Bauernhof bei Baarlo Unterkunft gefunden. Der Zufall spielte ihnen vier deutsche Soldaten in die Hände, die eigentlich nur Äpfel hatten kaufen wollen. Stattdessen wurden sie nun überwältigt und gefangen genommen. Die Widerstandsgruppe hatte damit zwar dringend benötigte Waffen erobert, sich aber gleichzeitig die Verantwortung für die Kriegsgefangenen aufgeladen.

Die Zahl der Kriegsgefangenen wuchs in kurzer Zeit. Sie mussten ernährt und obendrein untergebracht werden. Für ’s erste musste ein Hühnerstall im Wald von Baarlo reichen. Rundherum entstand das erste Waldlager. Aber als die Gruppe auf etwa fünfzehn Partisanen und dreißig Gefangene angewachsen war, musste man einige Kilometer weiter nach Süden, auf eine Koppel, umziehen.

Unterdessen arbeitete man bei Baarlo an einem unterirdischen Versteck, das bald bezogen werden konnte. Es bestand aus zwei kleinen Räumen, einem für die Kriegsgefangenen und einem für die Bewacher. Die Verhältnisse waren erbärmlich. Es war schmutzig und es stank. Nach ein paar Tagen war es kaum noch auszuhalten.

Britische Soldaten übernahmen am 19. November die Kriegsgefangenen. Das war das Ende des Partisanenlagers im Wald.

Das Denkmal des Partisanenlagers in Baarlo

Seit 1965 steht im Wald von Baarlo ein großer Stein mit der Inschrift „KP Kamp 1944“. Wenn man nicht ungewöhnlich viel über niederländische Geschichte gelernt hat, kommt man nicht darauf, was damit gemeint ist. Dabei taten sich hier sehr bedeutende Dinge.

Im Laufe des Krieges war der Widerstand gegen die deutsche Besatzung in den Niederlanden gewachsen. Er hatte verschiedene Formen und reichte von der Hilfe für die Untergetauchten, die im Versteck lebten, bis zu Überfällen auf deutsche Soldaten. Über „den“ Widerstand gibt es kaum einen Überblick. Man kann aber trotzdem behaupten, dass er am Anfang nicht besonders gut organisiert war. Es gab viele kleine Grüppchen. Ihre Aktionen waren nicht aufeinander abgestimmt.

Viele dieser Gruppen blieben den Krieg über isoliert. Es bildeten sich aber auch größere Organisationen. Die „Knopkloeken“ (wörtlich: Schlägertruppe), abgekürzt KP, oder der „Ordedienst“ (wörtlich: Ordnungsdienst), abgekürzt OD, waren wahrscheinlich die bekanntesten. Daneben gab es aber noch die landesweite Organisation zur Unterstützung der Illegalen. Aber auch die großen Organisationen hatten, schon aus Sicherheitsgründen, einen eher lockeren Zusammenhalt.

1944 wurden einige Widerstandsgruppen informiert, dass die Alliierten zur Befreiung des Landes ansetzen, und dass man sich auf Aktionen einstellen solle. Eine Möglichkeit war zum Beispiel zu verhindern, dass die Deutschen die Brücken sprengten. Zu dem Zweck wurden einige KP-Abteilungen, Widerstandskämpfer aus anderen Landesteilen, nach Venlo geschickt. Sie baten per Funk darum, dass die entsprechenden Waffen von den alliierten Flugzeugen über dem Gebiet abgeworfen werden sollten. Aber offensichtlich bekam man davon in London nichts mit. Und so blieben die dringend benötigten Waffen aus.

Der Führer des Widerstandes in den südlichen Niederlanden, unter dem Namen Peter Zuid bekannt, scheint daraufhin zugestimmt zu haben, dass man sich die Waffen dann eben von den Deutschen besorgen müsse. Was danach geschah, hat der limburger Historiker Alfred Cammaert in seiner Doktorarbeit „Die verborgene Front“ ausführlich dargestellt. Die Männer der KP hatten in Baarlo Unterschlupf gefunden. Sie kamen aus Schijndel, dem Bereich Maas und Waal und aus Nord-Limburg. Es war eine der ersten Gelegenheiten, bei denen verschiedene Widerstandsgruppen zusammenarbeiten sollten.

Ein Teil der Männer hielt sich auf einem Bauernhof versteckt. Zufällig kamen dort am 14. September 1944 vier deutsche Soldaten vorbei, die Äpfel kaufen wollten. Sie wurden überwältigt und gefangen genommen. Damit hatte man sich nun Waffen besorgt, sich aber gleichzeitig mit Kriegsgefangenen belastet. Kurz danach überfiel man einen Heerestransport und machte erneut Gefangene. Und noch einige Tage später wurde man elf deutscher Fallschirmjäger habhaft – gut trainierte und kampferprobte Soldaten.

Innerhalb einer Woche hatte man 21 Kriegsgefangene beisammen. Die mussten nun etwas zu essen bekommen und möglichst unauffällig untergebracht werden. Ein Hühnerstall im Wald von Baarlo wurde das erste Versteck und gleichzeitig der Mittelpunkt des ersten Waldlagers. Die Gefangenen wurden streng bewacht und mit Hilfe der Anwohner auch ernährt.

Inzwischen verübte die Widerstandsorganisation weitere Überfälle auf deutsche Einheiten. Dazu hatte sie sich in eine Abteilung in Brabant/Geldern und in eine Untergruppe Limburg aufgeteilt. Als die Limburger auf den Bauernhof zurückkehren wollten, gerieten sie in ein Scharmützel mit den Deutschen. Einige Soldaten fielen. Und der an sich unbeutende Bauernhof geriet ins Visier der SS. Einen Tag später machte sie den Hof dem Erdboden gleich. Dieses Vorgehen schüchterte die Anwohner ein und es wurde für die Partisanen schwierig, für sich und die Gefangenen noch etwas zum Essen aufzutreiben.

Die Gefahr, dass das Waldlager entdeckt werden konnte, wuchs stetig. Die Gruppe bestand nun aus ungefähr vierzehn Widerstandskämpfern und etwa dreißig Gefangenen. Und es gab noch ein zusätzliches Problem. Am 1. Oktober hatte man zwei SS-Männer gefangen genommen. Die Partisanen vermuteten, dass die SS-ler sich ergeben hatten, um sie auszukundschaften. Man beschloss, die beiden um der eigenen Sicherheit willen zu töten, was am nächsten Tag auch geschah.

Weil in der Peel hart gekämpft wurde, waren hier besonders viele Deutsche auf den Straßen und Wegen unterwegs. Man musste also ständig auf der Hut sein, dass das Lager nicht durch einen Zufall entdeckt wurde. Alle Versuche ein Versteck zu finden, das zugleich groß und sicher war, missglückten. Die Lage verschärfte sich, als am 27. Oktober einer der Kriegsgefangenen entkam. Dadurch war die Gruppe nun gezwungen, sich einen anderen Platz zu suchen. Den fand man in Gestalt einer Koppel, einige Kilometer weiter im Süden.

Die schlechte Unterkunft sorgte nicht nur bei den Gefangenen sondern auch bei den Widerständlern für Unruhe und Unzufriedenheit. So arbeitete man an einem unterirdischen Versteck, aber das Graben nahm seine Zeit in Anspruch. Trotzdem war es in der Nacht des 7. November dann so weit. Das neue Quartier konnte bezogen werden. Es lag vollständig unter der Erde und bestand aus zwei kleinen Räumen: einem für die Kriegsgefangenen und einem für ihre Bewacher. Aber die Umstände waren trotzdem erbärmlich. Es war schmutzig und es gab kaum frische Luft. Schon nach ein paar Tagen war der Gestank kaum noch zu ertragen.

Ungefähr zehn Tage nachdem die Partisanen das Erdloch bezogen hatten, kamen die Kämpfe näher. Die Deutschen zogen sich nun ihrerseits in den Wald zurück und die Widerstandskämpfer gerieten erneut in Bedrängnis. In dieser Situation beschlossen zwei mutige Männer sich auf die andere Seite der Front zu schlagen und die britischen Einheiten über das Waldlager zu informieren. Einen Tag später kamen die Briten und nahmen sich der Gefangenen an. Das war das Ende des Lagers der KP.

Interessant ist, welche Bewertung diese Geschehnisse nach dem Krieg erfuhren. Die Meinungen in den Niederlanden waren durchaus geteilt. Einerseits hielt man die Aktion nicht für besonders hilfreich. Es war nie das Ziel des Widerstandes gewesen Gefangene zu machen. Und die Waffen, die man zur Bewachung brauchte, wären anderswo nötiger gewesen. Auf der anderen Seite hatten die Partisanen die Gefangenen davon abgehalten, gegen die Befreier zu kämpfen. Und wer weiß, welchen Schaden die Deutschen in letzter Minute noch angerichtet hätten.

Wie auch immer, die Widerstandsgruppe hat sich den Ehrennamen „Bospartizanen“ (Waldpartisanen) erworben, selbst wenn sie diesen eigentlich gar nicht anstrebte.

Hier finden Sie den Sprechtext „Das Denkmal des Partisanenlagers in Baarlo“.

Sprecher: Wolfgang Reinke
Autor: Erik van den Dungen
Übersetzerin: Dr. Ingrid Schupetta
Dieser Text darf zu privaten Zwecken gerne kopiert werden. Zur Veröffentlichung an anderer Stelle ist das Einverständnis des Autors einzuholen.

Weiterlesen:
Alfred P.M. Cammaert, Het verborgen front, geschiedenis van de georganiseerde illegaliteit in de provincie Limburg tijdens de Tweede Wereldoorlog, Twee delen, Eisma 1994 (nur niederländisch)

Das Denkmal des Partisanenlagers
Der Gedenkstein steht im Wald in der Nähe der Ortschaft Kessel. Eine Hausnummer gibt es nicht. Er ist aber auf topografischen Karten zu finden.
Öffnungszeiten: Der Stein steht im öffentlichen Raum und ist jederzeit zugänglich.

Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Vom Bahnhof Venlo kann man mit dem Bus 77 (Veolia) Richtung Rooermond fahren. Die Haltestelle in Kessel heißt "Hout". Von hier gelangt man in etwa 20 bis 30 Minuten zum Gedenkstein. Das ist schon eine kleine Wanderung.