Wellerlooi (NL)

Das Widerstandsmahnmal

In dem Landschaftsschutzgebiet „Landgoed de Hamert“, einem Teil des Nationalparks Maasdünen, steht an einem Waldweg ein schlichtes Mahnmal. Es erinnert an eine der ersten großen Widerstandsaktionen der niederländischen Bevölkerung gegen die deutschen Besatzer. Das war ein landesweiter Streik gegen immer strengeren Vorschriften, die den Niederländern im Laufe des Krieges zugemutet wurden.

Anfangs versuchte der von Hitler eingesetzte Reichskommissar Arthur Seyss-Inquart noch, sich mit seinen Niederländern gut zu stellen, damit stieß er jedoch auf wenig Gegenliebe. Das lief so bis zum 29. April 1943, als ungefähr 300.000 ehemalige niederländische Soldaten den Befehl bekamen, sich als Kriegsgefangene zu melden. Sie sollten zur Arbeit nach Deutschland geschickt werden. Als Reaktion brachen überall in den Niederlanden mehr oder weniger spontane Streiks aus. Ein Zentrum des Widerstandes lag bei den Bergarbeitern in Südlimburg. Um den Widerstand zu brechen, wurden auf der Stelle und völlig beliebig Beteiligte verhaftet.

An dem Ort, an dem das Mahnmal nun steht, wurden sieben der Gefangenen am Abend des 2. Mai 1943 durch ein Polizeikommando erschossen und insgeheim verscharrt. Die Leichname wurden erst ein Jahr nach dem Krieg wiedergefunden, nachdem einer der Täter während eines Ermittlungsverfahrens die Stelle bezeichnet hatte.

Auch in den anderen Provinzen wurden willkürlich Menschen erschossen. Insgesamt geht man von einigen Hundert Opfern der deutschen Repressalien zur Zeit des April-Maistreiks 1943 aus.

Das Widerstandsmahnmal bei Wellerlooi

In dem Landschaftsschutzgebiet „Landgoed de Hamert“, einem Teil des Nationalparks Maasdünen, steht an einem Waldweg ein schlichtes Mahnmal. Es besteht aus einem gut vier Meter hohen Eichenkreuz und einer Ziegelmauer. Auf der linken Seite der Mauer ist eine Kupfertafel angebracht. Darauf findet man die Namen von sieben Männern und einen Text. Er lautet in deutscher Übersetzung: „Dem Vaterland blieb ich treu bis in den Tod. Standrechtlich erschossene Widerstandskämpfer Maistreik 1943. Massengrab entdeckt am 1. Juli 1946.“

Das Mahnmal erinnert an die erste groß angelegte Widerstandsaktion der niederländischen Bevölkerung gegen die deutschen Besatzer, einen landesweiten Streik. Er war die Reaktion auf immer strengere Vorschriften, die den Niederländern im Laufe des Krieges zugemutet wurden. Anfangs hatte sich das Regime noch maßvoll verhalten, jedenfalls was die Nicht-Juden betraf. Mit allerlei Aktivitäten hatte der durch Hitler eingesetzte Reichskommissar Arthur Seyss-Inquart versucht, die niederländische Bevölkerung zu gewinnen. Doch allmählich bekamen die Besatzer mit, dass die meisten Niederländer wenig geneigt waren, sich von Deutschland übernehmen zu lassen. Viele waren nicht einmal bereit, sich für kleinere Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen.

Wie traurig das auch sein mag, für viele Niederländer war die Deportation der Juden etwas, was sie nicht betraf und daher auch nicht aufrüttelte. Ganz anders war es mit einem Aufruf vom 29. April 1943. Danach sollten sich alle 300.000 ehemaligen niederländischen Soldaten als Kriegsgefangene melden. Sie sollten zur Zwangsarbeit nach Deutschland geschickt werden. Man bezeichnete das mit dem deutschen Wort „Arbeitseinsatz“. Schon im Vorjahr waren davon 100.000 Niederländer betroffen gewesen. Zum Teil sammelten die Deutschen ihre Arbeitskräfte mit Hilfe von Razzien ein.

Mit dem Kunstgriff, ehemalige Soldaten als Kriegsgefangene zu etikettieren, wollten die Besatzer zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Falls es zu einer alliierten Invasion in die Niederlande kommen sollte, hätte man sich damit den Rücken von aufständischen Niederländern freigehalten. Außerdem wären die Arbeitskräfte in der auf Hochtouren laufenden deutschen Kriegsindustrie mehr als willkommen gewesen.

Aber die Niederländer dachten darüber ganz anders. Und so brachen überall in den Niederlanden am 29. April mehr oder weniger spontane Streiks aus. Eines der größten Widerstandszentren bildeten die streikenden Bergarbeiter in Süd-Limburg. Aber auch die Landwirtschaft beteiligte sich an dem gemeinsamen Protest. Überall ließen Bauern und Melker die Milch nach dem Melken ins Wasser laufen. Deswegen ist dieser Streik auch unter dem Namen „melkstaking“, deutsch „Milchaufstand“, in die niederländische Geschichte eingegangen.

Der ranghöchste SS-Offizier in den Niederlanden, der Höhere SS- und Polizeiführer Hanns Albin Rauter, kündigte als Reaktion darauf die Einführung eines polizeilichen Standrechtes an. Das bedeutete, dass man ohne Gerichtsverfahren, rein nach Gutdünken der Sicherheitskräfte, erschossen werden konnte. Rauter bestimmte außerdem, wie viele standrechtliche Erschießungen pro Provinz vollstreckt werden sollten. Denn koste, was es wolle, die Niederländer sollten gar nicht erst auf die Idee kommen, sich gemeinsam gegen die Besatzer zu wenden.

Um den Streik zu brechen, wurden überall in den Niederlanden mehr oder weniger zufällig Menschen aufgegriffen. So auch in Süd-Limburg. Gegen sieben Männer wurde wegen ihrer Rolle beim Streik die standrechtliche Erschießung angeordnet. Unter den Opfern waren drei Bergarbeiter. Drei andere waren Beamte des Zentralen Kontrolldienstes, einer Behörde, die für die Landwirtschaft zuständig war. Durch ihre Kontakte hatten sie die Bauern zum Streik aufrufen können. Der siebente Gefangene hatte in einem bestreikten Betrieb gearbeitet.

An der Stelle, an der heute das Mahnmal steht, wurden die sieben am Abend des 2. Mai 1943 durch ein Polizeikommando erschossen. Am 4. Mai wurden weitere zehn Personen in Limburg mit der Hinrichtung bedroht. Als dies bekannt wurde, gaben die Streikenden auf. Am 6. Mai war der Streik zu Ende. Die Gefangenen kamen mit einer Strafe von fünfzehn Jahren Zuchthaus davon.

Eine direkte Folge des Streiks war es, dass die Niederländer nun ihre Radios abliefern mussten. Die Besatzer hatten nämlich den Eindruck gewonnen, dass die Streikwelle sich nur so schnell ausbreitete, weil man die aufrührerischen Berichte von Radio Oranje aus London verfolgte. Ab sofort konnte man wegen Besitzes eines Radios nach Deutschland verschleppt werden. Tausende Radios wurden abgeliefert. Aber andere Tausende fanden einen neuen Standort im Haus: unter Dielenbrettern, hinter Bilderrahmen, in Konservendosen und so weiter.

Nicht weniger wichtig war die Beobachtung der Niederländer, dass der spontane Streik als Widerstandshandlung zu wenig Schlagkraft hatte, weil dahinter keine Organisation stand. Das führte zu einer Neuorganisation im Untergrund. Überall entstanden Widerstandsorganisationen, die miteinander vernetzt waren. Überdies hatten sie Verbindungen mit der niederländischen Exilregierung in London.

Die Leichen der sieben Männer, die im Wald bei Wellerloi erschossen worden waren, wurden erst ein Jahr nach dem Krieg wiedergefunden. Den Platz fand man im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens. Die Ermittler hatten nach dem Krieg viel zu tun, denn die deutschen Besatzer hatten als Antwort auf den April-Mai-Streik einige hundert Niederländer hinrichten lassen.

Aber, wie man es auch dreht und wendet. Das Signal der niederländischen Bevölkerung war eindeutig: „Wir lassen uns nicht einsargen.“ Von den 300.000 Soldaten die sich melden sollten, gingen nur 8.000 nach Deutschland. Der Rest fand gute Entschuldigungen oder ließ sich einfach nicht blicken. Das große Untertauchen begann.

Hier finden Sie den Sprechtext „Das Widerstandsmahnmal bei Wellerlooi“.

Sprecher: Wolfgang Reinke
Autor: Erik van den Dungen
Übersetzerin: Dr. Ingrid Schupetta
Dieser Text darf zu privaten Zwecken gerne kopiert werden. Zur Veröffentlichung an anderer Stelle ist das Einverständnis des Autors einzuholen.

Weiterlesen:
Jan W.V. van Lieshout, Oranje boven in Limburg – De April-Meistakingen van 1943, Maastricht 1993, ISBN 90-801018-5-0 (nur niederländisch)

Das Widerstandsmahnmal
Twistedenerweg
5856 CL in Wellerlooi (Gemeente Bergen)
Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Man kann mit dem Zug nach Venlo fahren und von dort den Veolia-Bus 83 in Richtung Nijmwegen nehmen. Am Hotel “De Hamert” ist eine Haltestelle. Von dort läuft man einige Minuten in Fahrtrichtung zum Twistedenerweg. Dort gehen Sie beim Pfannekuchenhaus in den Wald und folgen der weiß ausgezeichneten Route. Nach etwa fünf Minute erreichen Sie ein Stück Heide. Dort geht rechts ein Weg weiter. Nach kurzer Zeit taucht ebenfalls rechts im Wald das hohe Kreuz des Mahnmals auf.