Leudal (NL)

Das Kriegerdenkmal

Im Jahr 2001 wurde in Leudal ein Kriegerdenkmal für 687 Soldaten aufgestellt. Das Besondere an diesem Mahnmal ist, dass es nicht nur an die Befreier, sondern auch an die Besatzer erinnert. Es ist damit in den Niederlanden einzigartig und ein sichtbares Zeichen, dass sich die Einschätzung des Zweiten Weltkrieges langsam ändert – in Richtung Versöhnung der ehemaligen Kriegsgegner.

Die Künstlerin Thea Houben schuf eine Bronzeskulptur mit verschiedenen Sinnbildern. Das Kunstwerk steht in einem Bett von 687 großen Kieselsteinen aus der Maas – je einer für jeden gefallenen Soldaten. Da sie aus elf Ländern kamen, sind in dem Pflaster um das Mahnmal elf rote Streifen eingelassen. Die eigentliche Skulptur ist ein Art halber Bogen, der von der Erde in den Himmel reicht. Seine Spitze umkreisen Möwen. Sie stehen für Sehnsucht und Freiheit. Im unteren Bereicht des Bogens erkennt man ein Schwert (Kampf), einen Lorbeerkranz (Sieg) und verschlungene Hände (Versöhnung).

Die Soldaten, derer hier gedacht wird, fielen in verschiedenen Phasen des Krieges. Die ersten starben bei dem deutschen Überfall auf die Niederlande. Später waren es vor allem abgestürzte Flieger. Die weitaus meisten fielen aber im Herbst 1944, als die Alliierten die Maasbrücke in Venlo erobern wollten. Die Deutschen hatten sich in Leudal festgesetzt, weil hier die verschiedenen Wasserläufe einen Überraschungsangriff verhinderten. Letztendlich kamen bei der Befreiung ungefähr 500 Offiziere, Unteroffiziere und einfache Soldaten ums Leben ― auf beiden Seiten etwa gleich viele.

Das Kriegerdenkmal von Leudal

Vor gar nicht langer Zeit, im Jahr 2001, wurde in Leudal ein Mahnmal aufgestellt. Es erinnert an Soldaten, die in der Umgebung des Ortes fielen — zu Beginn, während und am Ende des Zweiten Weltkrieges. Dass dieses kleine Denkmal erst so spät aufgestellt wurde, ist nicht ungewöhnlich. Trotzdem ist es etwas ganz Besonderes. Es erinnert nämlich gleichzeitig an die Toten unter den Niederländern, den alliierten Befreiern und den deutschen Besatzern. Das ist in den Niederlanden einmalig und ein Zeichen des sich verändernden Blickes auf den Zweiten Weltkrieg.

Sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland haben inzwischen Generationswechsel stattgefunden. Durch den größer werdenden zeitlichen Abstand ist es den Niederländern möglich geworden, das während der Besatzungszeit zugefügte Leid weniger stark persönlich zu empfinden. Man kann mittlerweile sehen, dass auch in Deutschland Menschen an der Verfolgung durch die Nationalsozialisten und in Folge des Krieges gelitten haben. Natürlich sollte der kritische Blick dabei nicht verloren gehen. Die Deutschen haben die Niederländer überfallen. Täter bleiben Täter und Opfer bleiben Opfer. Aber – neben der Wahrnehmung von Menschen als Gruppe, als Volk oder Nation – muss es auch um den Einzelnen in seiner unverwechselbaren Identität gehen können. In diesem Sinne sollten wir uns das Mahnmal vor dem Leudalmuseum näher ansehen.

Die Künstlerin Thea Houben stammt aus dem Ort Roggel, der hier ganz in der Nähe liegt. Sie schuf ein Denkmal, das verschiedene Dinge versinnbildlicht. So steht die Bronze-Skulptur inmitten von 687 großen Kieselsteinen aus der Maas. Jeder Stein steht für einen der Gefallenen. Sie stammten aus elf verschiedenen Ländern. Und für jedes Land ist ein roter Streifen in dem Pflaster gelegt, das das Mahnmal umgibt. In der Mitte erhebt sich eine Art halber, hohler Bogen auf der Basis eines gleichseitigen Dreiecks. Das Dreieck soll das christliche Prinzip der heiligen Dreifaltigkeit darstellen. Der Bogen verbindet in sachter Rundung Erde und Himmel. Rund um das obere Drittel der Skulptur sind Möwen im Flug dargestellt — Sinnbilder der Sehnsucht und der Freiheit. Im unteren Bereich der Stele sind schließlich ein stehendes Schwert im Lorbeerkranz und ein Händedruck zu erkennen. Das sind Bilder für Krieg und Sieg, aber auch für die Versöhnung nach dem Kampf.

Die Gefallen, derer hier gedacht wird, starben zu verschiedenen Zeiten. Einige wurden Opfer der deutschen Invasion. Die meisten der zu Beginn des Krieges ums Leben gekommenen Niederländer fielen in der Nähe der Maasbrücken bei Roermond und Buggenum. 1940 starben hier 45 deutsche Soldaten.

Später, während des Krieges, kamen hier vor allem alliierte Flieger ums Leben: Engländer, Kanadier, Australier, Tschechen, Amerikaner, Neuseeländer und Norweger.

Unbestreitbar die meisten Toten gab es aber bei der Befreiung der Grenzregion im Herbst 1944. Nach dem schnellen Vormarsch der Alliierten durch Frankreich und Belgien waren im September 1944 die Niederlande an der Reihe. Der britische Feldmarschall Montgomery plante das größte Luftlandeunternehmen der Geschichte. Damit wollte er auf einen Schlag wichtige Brücken über alle großen Flüsse, die es auf dem Weg nach Berlin zu überqueren galt, in seine Hand bekommen. Aber die so genannte Operation Market Garden hatte nur zum Teil Erfolg. Daraufhin entwickelten die Alliierten einen neuen Plan, der deutlich weniger ehrgeizig war. Nun wollten sie nämlich die Maasbrücke bei Venlo unbeschädigt in ihre Hand bekommen.

Die deutschen Besatzer dachten darüber natürlich ganz anders. Um den alliierten Vormarsch auf der einen Seite zu stoppen, die Brücke aber andererseits selbst für einen Angriff auf die alliierten Truppen nutzen zu können, richteten sie in aller Eile den so genannten Brückenkopf Venlo ein. Dieses Gebiet reichte im Norden bis Overloon und im Süden in verschiedenen Linien von Blerick Richtung Südwesten. Hier in Leudal konnten die Deutschen die Wasserläufe und Kanäle in ihr Konzept einbeziehen. Sie erschwerten einen Überraschungsangriff der Alliierten.

Schließlich verloren bei den letzten Kämpfen in dieser Gegend etwa 500 Offiziere, Unteroffiziere und einfache Soldaten ihr Leben. Die Verluste auf beiden Seiten hielten sich in etwa die Waage. Das scheint auf den ersten Blick nicht gerecht. Aber, realistisch betrachtet, was ist an einem Krieg schon gerecht? Es ist diese Betrachtungsweise, die uns so lange nach dem Krieg erlaubt zu erkennen, dass jedes verlorene junge Menschenleben eines zuviel war – letztlich ist es egal auf welcher Seite das Opfer stand.

Möglicherweise haben diese Gedanken der Toleranz und der Versöhnung mit diesem Kunstwerk einen gültigen Ausdruck gefunden. Es würde damit gleichzeitig etwas über die Vergangenheit und die Gegenwart aussagen.

Doch ist nicht alles reine Harmonie, auch fast 70 Jahre nach den Kampfhandlungen bei Leudal nicht. Dieses Mahnmal steht ausdrücklich für die Versöhnung der damals kriegführenden Parteien.

Eine Gruppe ist von einer Geste der Versöhnung weiterhin ausgenommen. Das sind die niederländischen Kollaborateure, die Anhänger der niederländischen Nazi-Partei NSB unter Führung von Anton Mussert. Sie hatten sich mit den deutschen Besatzern zusammengetan. Einige tausend Niederländer waren freiwillig in die SS eingetreten und hatten bis zum bitteren Ende auf deutscher Seite gekämpft.

Im in der Nähe gelegenen Baexem wurde 1942 ein neuer Bürgermeister ernannt, ein gewisser Herr Hetterscheid. Der Dorfchef war ein Nazi und bekam schnell mit, wer vermutlich im Widerstand aktiv war. So entstand für die Widerständler eine brenzlige Situation. Sie wussten sich nicht anders zu helfen, als den Bürgermeister schnellstens auszuschalten. Zwei Aktivisten liquidierten den Mann in seinem eigenen Haus.

Gilt die niederländische Toleranz nun auch gegenüber Bürgermeister Hetterscheid und seinesgleichen? Nein! Denn selbst heute ist die Zeit für die meisten Menschen für diesen Schritt noch nicht reif genug. Und es ist sehr die Frage, ob diese Zeit je kommen wird. Denn das eigene Land zu verraten, egal ob aus politischer Überzeugung oder aus persönlichem Gewinnstreben, das ist auch für die nachwachsende Generation ein Tabu. Hier hat die Duldsamkeit eine erkennbare Grenze.

Hier finden Sie den Sprechtext „Das Kriegerdenkmal von Leudal“.

Sprecher: Wolfgang Reinke
Autor: Erik van den Dungen
Übersetzerin: Dr. Ingrid Schupetta
Dieser Text darf zu privaten Zwecken gerne kopiert werden. Zur Veröffentlichung an anderer Stelle ist das Einverständnis des Autors einzuholen.

Weiterlesen:
www.leudalmonument.nl, Internetpräsentation auch in deutscher Sprache.

Das Kriegerdenkmal von Leudal
Roggelseweg 58
NL- 6081 NP Haelen
Öffnungszeiten: Das Denkmal steht im öffentlichen Raum und kann jederzeit besichtigt werden.

Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Vom Bahnhof in Roermond fährt ein Bus (Veolia, Linie 176). Das ist ein Ringbus, der in Roermond abfährt und dort auch wieder ankommt. Aussteigen muss man an der Haltestelle "Huize Sint Elisabeth".