Rees-Bienen

Die Betonmauer des alten Kemnadenhofs

In Rees-Bienen erinnert eine mit Einschusslöchern übersäte Betonmauer an die heftigen Kämpfe in den letzten Kriegstagen am Niederrhein. Bienen war im März 1945 für wenige Tage das Zentrum historischer Ereignisse, weil die Ortschaft von strategischer Bedeutung für den Vormarsch der Alliierten nach ihrer Rheinüberquerung war. Zwei wichtige Straßen kreuzten sich in Bienen. Von dort aus ging es in Richtung Westen weiter nach Bocholt und Münster, im Süden nach Wesel.

Als die schottische 51. Highland Division (HD) mit Hilfe von Schwimmpanzern den Rhein zwischen Emmerich und Rees überwunden hatte, stieß sie in Bienen auf starke deutsche Gegenwehr. Der Kampf dauerte drei Tage. Viele Soldaten fielen, darunter auch der Kommandant der Schotten, Generalmajor Thomas Rennie. Erst als kanadische Infanterie zur Hilfe kam, gelang es den Ort einzunehmen. In Bienen erinnert man sich bis heute an diese Geschichte. Zu den Feinden von einst – und ihren Familien – pflegt man heute freundschaftliche Kontakte. An einer Mauer neben der Dorfkirche haben die Kanadier und die Schotten Gedenkplaketten angebracht, in denen auch der gefallen Deutschen mit Respekt gedacht wird. Eine weitere Gedenktafel erinnert an die im Winter 1944/45 in Bienen verstorbenen 24 niederländischen Zwangsarbeiter.

Die Betonmauer des alten Kemnadenhofs in Rees-Bienen

Es gibt nicht viele Überbleibsel des 2. Weltkrieges, die am Niederrhein noch Zeugnis von den schweren Kämpfen im Frühjahr 1945 ablegen. Ein beeindruckendes Beispiel findet man im Reeser Stadtteil Bienen.

Biegt man dort von der Bundesstraße 8 in Richtung Westen auf die Kemnadenstraße ein, so stößt man auf der linken Straßenseite nach einigen hundert Metern auf eine Betonmauer. Sie ist vorne und auf der Rückseite mit hunderten großer und kleiner Löchern übersät. Diese Mauer ist das einzige, was vom alten Kemnadenhof erhalten geblieben ist. Er wurde im März 1945 bei den Kämpfen zwischen alliierten und deutschen Soldaten völlig zerstört und an anderer Stelle wieder aufgebaut. Die Löcher in der Mauer sind die Spuren der Einschläge von Gewehrkugeln, Granatsplittern und Explosivgeschossen. Bis vor wenigen Jahren waren sie dicht von Efeu überwachsen und verdeckt.

Am 10. März 1945 hatten die deutschen Soldaten die linke Rheinseite geräumt. Alles wartete nun darauf, dass die Alliierten den Rhein überquerten. Am Freitag, dem 23. März, begannen britische, kanadische und amerikanische Truppen mit der Operation „Plunder“. Nach einer massiven Artillerievorbereitung und verheerenden Luftangriffen setzten sie in Schwimmpanzern über den Rhein und landeten auf dessen Ostseite, hauptsächlich zwischen Rees und Rheinberg. Kanadische Truppen lagen in Bereitschaft, um später bei Emmerich den Rhein zu überqueren. Gleichzeitig landeten alliierte Fallschirmjäger zwischen Hamminkeln und Brünen.

Während um Wesel herum für die Alliierten alles nach Plan verlief, wurde die 51. Highland Division, die den Angriff auf Rees durchzuführen hatte, in schwere und verlustreiche Gefechte verwickelt. Einige ihrer Soldaten meinten sogar später, es wären die schwersten Kämpfe gewesen, die sie im 2. Weltkrieg zu bestehen gehabt hätten. Besonders um den kleinen Ort Bienen tobte die Schlacht.

Die Bedeutung Bienens war sowohl von den Deutschen als auch von den Alliierten früh erkannt worden. Durch Bienen ging die Reichsstraße 8, die von Wesel nach Emmerich führte, und von der Ortsmitte aus öffnete die Millinger Straße den Weg nach Osten in Richtung Bocholt und Münster.

In und um Bienen hatten die Deutschen kampferprobte Soldaten stationiert: Fallschirmjäger der 6. und 8. Fallschirmjägerdivision, dazu eine Panzerjägerabteilung. Sie alle hatten schon auf der anderen Rheinseite an der Schlacht um den Reichswald teilgenommen. In letzter Minute wurden noch einige Panzer und Sturmgeschütze nach Bienen beordert, dazu Soldaten des 115. Panzergrenadierregiments.

Zwei Tage brauchten die Alliierten, um den kleinen Ort einzunehmen. Erbittert wurde um Haus um Haus, Hof um Hof gerungen. Die Verluste auf beiden Seiten waren hoch. Sogar der kommandierende Generalmajor der Highland Division war unter den Opfern. Erst der Einsatz kanadischer Einheiten brachte am Sonntag die Wende. Am Montag endlich ruhten die Waffen.

In völlig überfüllten Kellern und Unterständen hatten die Bienener die drei Tage überstanden. Zahlreiche Opfer waren jedoch zu beklagen. Nach dem Ende der Kämpfe wurde die Zivilbevölkerung zunächst evakuiert. Nach 14 Tagen kehrte sie in eine Ortschaft zurück, die fast völlig zerstört worden war. Viele der noch stehenden Häuser waren geplündert, totes Vieh lag auf der Straße.

Rund 70 gefallene deutsche Soldaten waren zurückgeblieben. Teilweise waren sie noch unbestattet, teilweise lagen sie in provisorischen Gräbern, die über den ganzen Ort verstreut waren. Der Pfarrer, der Lehrer und einige junge Mädchen waren die ersten, die sich um die Leichen kümmerten. Diese wurden auf einem eigenen Soldatenfriedhof bestattet, der sich heute noch neben dem Dorffriedhof befindet.

Neben 62 deutschen Soldaten und zwei italienischen Kriegstoten ruhen hier auch zwei Niederländer. Ihre Gräber künden von einem weiteren unschönem Kapitel der Ortsgeschichte.

Ende 1944 wurden niederländische Zwangsarbeiter in ein bei Bienen gelegenes Arbeitslager eingeliefert. Man hatte sie einfach zu Hause auf der Straße aufgegriffen und nach Deutschland gebracht. Auf Grund von Misshandlungen und schlechter Ernährung starben innerhalb kurzer Zeit 24 von ihnen. Nach dem Kriegsende wurden zwölf Tote zur Niederländischen Ehrenanlage in Düsseldorf-Stoffeln überführt. Drei kamen zur Ehrenanlage in Loenen bei Arnheim in die Niederlande, und zwei wurden in ihre Heimat nach Haarlem beziehungsweise Zandvoort überführt. Von fünf weiteren Opfern wurden bei der Exhumierung angeblich keine Überreste mehr gefunden. Zwei Tote blieben jedoch auf dem Bienener Soldatenfriedhof, weil sie Mitglieder der niederländischen nationalsozialistischen Partei gewesen waren. Selbst als Leichen waren sie damals zu Hause nicht mehr erwünscht.

Vor der 1945 zerstörten Kirche erinnern heute drei Gedenktafeln an die damaligen Ereignisse. Eine ist den alliierten Opfern der Kämpfe um Bienen gewidmet, eine zweite erinnert an alle damals gefallenen Soldaten und die dritte an die gestorbenen niederländischen Zwangsarbeiter.

Den wieder aufgebauten Turm der Dorfkirche kann man von der ehemals umkämpften Mauer des alten Kemnadenhofes aus sehen.
Hier erinnert seit kurzem eine Gedenktafel an die Ereignisse des Frühjahres 1945.

Hier finden Sie den Sprechtext „Rees-Bienen – Die Betonmauer des Kemnadenhofs“.

Sprecher: Wolfgang Reinke
Autorin: Dr. Ingrid Schupetta
Dieser Text darf zu privaten Zwecken gerne kopiert werden. Zur Veröffentlichung an anderer Stelle ist das Einverständnis der Autorin einzuholen.

Weiterlesen:
www.51hd.co.uk
Josef Becker, Bienen 1939 – 1945. Erlebnisse, Erinnerungen und Berichte, Kleve 1999

Die Betonmauer des alten Kemnadenhofs
Betonmauer mit Kriegsschäden – Kemnaderstr. 4
Erinnerungstafeln – Vorplatz an der Kirche Kriegsgräberstätte – Grietherbuscher Straße (Nähe Hausnummer 2)
44569 Rees - Bienen
Öffnungszeit: Alle Objekte liegen an öffentlichen Straßen und Plätzen.

Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Die Ortschaft Bienen ist vom Bahnhof Emmerich unter der Woche im Stundentakt (xx:35 h) mit dem Bus 88 zu erreichen. Am Wochenende ist der Fahrplan ausgedünnt.