Kleve-Reichswald

Die britische Kriegsgräberstätte

Nachdem der Krieg in Europa am 8. Mai 1945 zu Ende war, bemühte sich die britische Militärregierung am Niederrhein um die Bergung der Gefallenen aus dem Commonwealth. Auf alliierter Seite hatten nämlich nicht nur Soldaten aus Großbritannien gekämpft, sondern auch andere Untertanen der Königin: Neuseeländer, Australier und – an dieser Stelle — vor allem Kanadier. Alle Gefallenen, ob sie nun als Flugzeugbesatzungen 1940 bis 1945 über Deutschland abgeschossen worden oder bei den erbitterten Kämpfen der letzten Kriegsmonate ums Leben gekommen waren, sollten an einem zentralen Ort ihre letzte Ruhe finden.

Die dazu notwendigen Umbettungen bereits Bestatteten wurden von deutschen Kriegsgefangenen vorgenommen und 1948 abgeschlossen. Die Gestaltung der Kriegsgräberstätte folgte Regeln, die von einer britischen Kommission bereits 1917 aufgestellt worden waren. Danach sollte es auf jeder solchen Anlage ein großes Opferkreuz geben und einen Altar mit der Aufschrift: „Their Name Liveth For Evermore“ (Ihr Name lebt für ewig).

Die britische Kriegsgräberstätte im Reichswald

An einer der Straßen, die schnurgerade durch den Reichswald führen, liegt eine große rechteckige Lichtung. Im schnellen Vorbeifahren erkennt man aus dem Augenwinkel vor allem zwei, mit Vasen oder Urnen dekorierte, Säulen und zwei gedrungen wirkende Wachtürme aus hellen Steinquadern. Die Architektur ist für den Niederrhein höchst seltsam. Wenn man es nun gar nicht besser weiß, denkt man an Asterix und Obelix und die Befestigung römischer Heerlager und vermutet einen Archäologiepark. Diese Vermutung ist am Niederrhein ja gar nicht so abwegig.

Das Anhalten und die nähere Betrachtung zeigen trotzdem schnell, dass der Irrtum nicht größer sein könnte: es handelt sich, wie eine Aufschrift neben dem niedrigen Eingangstor zeigt, um den „Reichswald Forest War Cemetery 1939 – 1940“, mithin um eine britische Kriegsgräberstätte für Gefallene des Zweiten Weltkrieges. Auf der Rückseite des Eingangs erklärt eine weitere Inschrift auf Englisch, dass es sich bei dem Grundstück um ein Geschenk des deutschen Volkes handelt, damit die hier geehrten Seeleute, Soldaten und Flieger eine dauerhafte Ruhestätte fänden.

In den Türmen befindet sich je eine durch einen Metalldeckel verschlossene Nische. Darin sind die Friedhofsregister, die alle Namen der hier Bestatteten in alphabetischer Reihenfolge enthalten. Über steile Treppen sind die Türme zu erklettern. Erst von oben hat man einen Überblick über die tatsächliche Größe der Anlage.

Im Zentrum befindet sich ein Marmorblock, der an einen Altar denken lässt. Er ist durch mehrere Stufen erhöht und trägt eine Inschrift. Flankiert ist er durch flachgedeckte Pfeilerreihen. Hier wachsen rankende Pflanzen. Dazwischen stehen Rundbänke, auf denen man sitzen kann.

Am Ende der Achse zwischen Eingang und „Altar“ steht ein großes Steinkreuz aus blendend weißem Stein. Die Kreuzform wird durch ein eisernes Schwert in der Mitte des Kreuzes wiederholt. Es überragt die Anlage, weil es auf einem hohen Sockel steht. Die zentrale Achse wird auf beiden Seiten zusätzlich durch immergrüne Sträucher betont. Sie geben erst auf den zweiten Blick frei, worum es geht: 7.654 Gräber. Vom Turm aus scheinen sie recht weit entfernt zu sein.

Um die Steine genauer anzusehen und etwas mehr über die Toten zu erfahren, ist es notwendig, vom Turm zu steigen. Dabei ist es unwichtig, welchem Gräberfeld man sich nähert, denn die Gestaltung der Grabsteine folgt genauen Regeln, so dass sich alle Steine gleichen. Als erstes fällt auf, dass die Grabsteine nicht in Kreuzform sind. Stattdessen wurden oben abgerundete Stelen gewählt. Zu oberst ist ein Symbol für den Truppenteil, in dem der Soldat gedient hat. Darunter folgen eine Nummer, der Rang, der Name, das Datum des Todes und das Alter der Gefallenen zu diesem Zeitpunkt: 18, 19, 20 Jahre… Auf dem unteren Drittel ist nun der Bereich für ein religiöses Symbol, meist sind es Kreuze, in nicht wenigen Fällen aber auch Davidsterne. Unmittelbar über dem Boden gibt es dann eine Fläche für einige Worte der Angehörigen. Von dieser Gestaltung gibt es nur wenige Ausnahmen.

Das Abschreiten der Reihen zeigt, dass auf der Kriegsgräberstätte Gefallene liegen, die bei Luftangriffen auf Deutschland ums Leben gekommen sein müssen: Briten, Kanadier, Australier und Neuseeländer. Als Angehörige der Air Force starben auch 73 Polen.

Andere kamen in den ersten Monaten des Jahres 1945 ums Leben, als vor allem kanadische Truppen versuchten, den Übergang über den Rhein zu erzwingen. Das Ruhrgebiet sollte von Norden und Süden in die Zange genommen werden. Der militärische Deckname für den nördlichen Teil war „Operation Veritable“. Hunderte fielen ganz in der Nähe, bei der Schlacht im Reichswald vom 8. bis zum 13. Februar 1945.

Mehr ist durch Augenschein nicht herauszufinden. Nur durch Nachlesen ist zu erfahren, dass die Art der Anlage dem Beschluss einer britischen Kommission aus dem Jahre 1917 folgt, die fast alle beschriebenen Elemente für Kriegsgräberstätten der Soldaten des Commonwealth, also des Staatenbundes aus Großbritannien und seinen ehemaligen Kolonien, festlegt.

Trotzdem hat die Gesamtanlage im Reichswald einen benennbaren Architekten: Philip Dalton Hepworth. Der Entwurf für den Altarstein stammt von Sir Edwin Lutyens, der für das Kreuz von Sir Reginald Blomfield.

Hier finden Sie den Sprechtext „Die britische Kriegsgräberstätte im Reichswald“.

Sprecher: Wolfgang Reinke
Autorin: Dr. Ingrid Schupetta
Dieser Text darf zu privaten Zwecken gerne kopiert werden. Zur Veröffentlichung an anderer Stelle ist das Einverständnis der Autorin einzuholen.

Weiterlesen:
Denis und Shelagh Whitaker, Endkampf um das Rheinland, Berlin/Frankfurt am Main 1991

Die britische Kriegsgräberstätte
Grunewaldstraße (Landstraße 484)
47533 Kleve
Öffnungszeit: Die Kriegsgräberstätte ist durch ein kleines Tor jederzeit zu betreten.

Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Die Kriegsgräberstätte ist nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar - wenn man von einem durchschnittlichen Aufwand ausgeht.

Für Autofahrer/innen: Ein unbefestigter Parkplatz liegt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Das Überqueren der Landstraße ist allerdings lebensgefährlich.