Xanten

Die Gedenkstätte an den kirchlichen Widerstand in der Krypta des Doms St. Viktor

Der Bau des Xantener Doms begann im Jahr im Jahr 1263. Er wurde dem Heilligen Viktor gewidmet. St. Viktor war der Legende nach Kommandant eine Kohorte (eines römischen Truppenteils) gewesen. Er und seine Legionäre bekannten sich zum Christentum und weigerten sich, heidnischen Göttern zu opfern. Deswegen sollen sie zum Ende des 3. Jahrhunderts sämtlich hingerichtet worden sein. Viktor ereilte dieses Schicksal angeblich in der Nähe von Xanten, in Birten. Sein vermutetes Grab wurde eine Andachtsstätte, ein Ursprung des Xantener Doms.

Nachweisbar steht der Dom auf einem römischen Gräberfeld. Eine Krypta, also eine begehbare unterirdische Grabanlage, bekam er erst 1936, nachdem 1933 bei Ausgrabungen ein Doppelgrab gefunden wurde, in dem man die Grabstätte Viktors und eines Gefährten vermutete. Sie wurde von dem Münsteraner Bischof von Galen geweiht, der sich auf das Vorbild des Heiligen Viktor und seiner Gefährten bezog: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apostelgeschichte 5,29). Die Anlage wurde 1966 zum Ort der Erinnerung an den katholischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus erweitert. Heute befinden sich dort die Gräber von Heinz Bello, Karl Leisner und Gerhard Storm. Gegenstände und Texte erinnern an Wilhelm Frede, Nikolaus Groß und Johannes Maria Verweyen. In Urnen ist Erde und Asche aus den Konzentrationslagern Ausschwitz Bergen-Belsen und Dachau aufbewahrt. Eine Reliquie des seliggesprochenen Kardinals Graf von Galen wurde im Jahr 2006 nach Xanten überführt.

Die Gedenkstätte an den kirchlichen Widerstand in der Krypta des Doms St. Viktor in Xanten

Der Xantener Dom ist dem Heiligen Viktor geweiht. Nach der Legende gab es im 3. oder 4. Jahrhundert einen römischen Soldaten dieses Namens. Er und seine Männer waren zum Christentum übergetreten. Sie weigerten sich, den alten Göttern Opfer darzubringen. Das war ein Grund für den Kaiser die Ungehorsamen zu verfolgen und ermorden zu lassen. Den heiligen Viktor und einige seiner Gefährten sollen römische Soldaten bei Xanten-Birten getötet und in den Sumpf geworfen haben.

Weil er seinem Glauben sein Leben geopfert hatte, wurde Viktor von den Christen schon bald als Heiliger verehrt. Was unterdessen mit seinen sterblichen Überresten geschah, ist nicht im Einzelnen belegbar. Sicher ist, dass es seit dem 12. Jahrhundert einen Schrein gibt, in dem sie aufbewahrt werden sollen. Der Schrein ist heute Teil des Hochaltars im Xantener Dom.

Bei archäologischen Untersuchungen unter dem Kirchengebäude wurden 1933 Reste einer ungewöhnlichen doppelten Grabanlage gefunden. Es ergaben sich Anzeichen, dass die dort bestatteten Männer erschlagen worden waren. Für viele Gläubige steht fest, dass es sich um die Gräber von St. Viktor und eines seiner Gefährten handelt.

Es wurde eine Krypta eingerichtet und ein öffentlicher Zugang geschaffen. In seiner Predigt zur Einweihung im Februar 1936 wies der zuständige Bischof von Münster, August Graf von Galen, darauf hin, dass unter der Nazi-Diktatur Katholiken erneut zu Märtyrern gemacht würden. Dieses Los gälte es anzunehmen. Er sagte:

„Aber wenn wir gleich jenen Heiligen vor die Frage gestellt werden, zu wählen zwischen irdischem Glück und Bekenntnis des Glaubens, zu wählen zwischen Götzendienst und Tod, dann wollen wir wie unsere tapferen Vorbilder mit Gottes Gnade feststehen im Glauben, dann wollen wir wie jene lieber in den Tod gehen als sündigen.“

In seiner Predigt nannte Bischof Graf von Galen Namen bedrängter Katholiken. Trotz eines Vertrages zwischen NS-Staat und Vatikan, Konkordat genannt, kam es immer wieder zu Konflikten, zu Verhören, Strafen, Gerichtsverfahren, sogar zu Einweisungen praktizierender Katholiken in Konzentrationslager. Nicht wenige Kapläne und Priester starben in Dachau und in Auschwitz.

20 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes wurde die Krypta im Xantener Dom erweitert, um Raum für die Erinnerung an den katholischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu schaffen.
Feste Bestandteile wurden Urnen mit Erde und Asche aus den Konzentrations- und Vernichtungslagern Auschwitz, Bergen-Belsen und Dachau. Ihre letzte Ruhestätte fanden hier Heinz Bello, Karl Leisner und Gerhard Storm.

Gegenstände und Texte erinnern an Wilhelm Frede, Nikolaus Groß und Johannes Maria Verweyen. Sie sind Stellvertreter für die neuzeitlichen Märtyrer, so genannte Blutzeugen, des Katholizismus.

Seit einigen Jahren befindet sich auch eine Reliquie Kardinal Graf von Galens in der Krypta. Der frühere Bischof von Münster wurde insbesondere dadurch bekannt, dass er sich während der NS-Zeit in öffentlichen Predigten gegen den staatlich organisierten Mord an den Behinderten aussprach. Durch seine Stellung als Kardinal war er vor dem unmittelbaren Zugriff des NS-Staates einigermaßen geschützt. Trotzdem ging er ein hohes persönliches Risiko ein, als er den Mord auch Mord nannte und sogar anzuzeigen versuchte.

Hier finden Sie den Sprechtext „Die Gedenkstätte an den kirchlichen Widerstand in der Krypta des Doms St. Viktor in Xanten“.

Sprecher: Wolfgang Reinke
Autorin: Dr. Ingrid Schupetta
Dieser Text darf zu privaten Zwecken gerne kopiert werden. Zur Veröffentlichung an anderer Stelle ist das Einverständnis der Autorin einzuholen.

Weiterlesen:
Predigt des Bischoffs Graf von Galen vom 9. Februar 1936 in Xanten unter www.paulusdom.de

Lebensläufe der neuzeitlichen Märtyrer im Dom St. Viktor in Xanten

Heinz Bello
Heinz Bello war Medizinstudent. Er wuchs in Wesel in einem christlichen Elternhaus auf, das der katholischen Zentrums-Partei nahestand. Einen Tag vor seinem medizinischen Vorexamen in Münster wurde er durch einen Fehler seiner Vorgesetzten gleich zu zwei nächtlichen Brandwachen eingeteilt. In einem Wutausbruch beschimpfte er die Vertreter des Militärs, des NS-Regimes und den Nationalsozialismus im Allgemeinen. Dies wurde von Kameraden seiner Studentenkompanie denunziert. Ein Kriegsgericht verurteilte den 24-jährigen wegen so genannter Wehrkraftzersetzung zum Tode. Er wurde 1944 in Berlin-Tegel erschossen.

Karl Leisner
Karl Leisner war katholischer Geistlicher. Er wuchs in Kleve auf und studierte Theologie in Münster und Freiburg. 1939 wurde er bei der Gestapo denunziert. Ein Vertrauter hatte öffentlich angedeutet, dass Leisner das Hitler-Attentat Georg Elsers gut hieß. Das Ergebnis war die Festnahme Karl Leisners. Ab 1940 saß er im Dachau ein. Auf Grund der Lagerbedingungen brach eine schon überwunden geglaubte Tuberkulose wieder aus. Der vom Tod bereits Gezeichnete wurde von dem französischen Mithäftling Bischof Gabriel Piguet in der Lagerkapelle von Dachau zum Priester geweiht. Karl Leisner starb wenige Monate nach der Befreiung im August 1945.

Gerhard Storm
Gerhard Storm war Kaplan, Religionslehrer und Redakteur einer Kirchenzeitung für den nördlichen Niederrhein. Er stammte aus Haldern; Lehrer war er in Emmerich. Wegen seiner Jugend- und Pressearbeit geriet Gerhard Storm immer wieder ins Visier der Gestapo. 1942 wurde von einem Polizeibeamten auftragsgemäß eine Predigt mitgeschrieben, die der Kaplan in der St. Aldegundis-Kirche hielt. Storm äußerte er sich kritisch über Positionen des NS-Staates in Bezug auf Ehe und Familie. Weil die Gestapo dies als „tendenziöse Hetzpredigt“ und Anschlag auf den „Siegeswillen“ der Bevölkerung einstufte, wurde Kaplan Storm verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Der Geistliche war zu diesem Zeitpunkt 60 Jahre alt. Eine Ansteckung mit Typhus führte dazu, dass er schon vier Wochen nach seiner Einlieferung starb.

Wilhelm Frede
Wilhelm Frede war stellvertretender niederländischer Konsul in Kleve. In den 1920er Jahren war er politisch aktiv gewesen und hatte sich für die Zentrumspartei eingesetzt. Während der NS-Zeit fiel Frede als überzeugter Katholik auf, der sich auch für die verfolgten Juden aussprach.
Nach dem deutschen Überfall auf die Niederlande wurde das Konsulat durch eine Hilfsstelle für Niederländer ersetzt, deren Leitung Frede im Auftrag des neutralen Schweden übernahm. Diese Andeutung eines diplomatischen Schutzes erwies sich als zu schwach. 1941 wurde Wilhelm Frede von der Gestapo verhaftet. Als Haftgrund gab man an, Frede wäre einem Gestellungsbefehlt nicht nachgekommen. Bei Verhören wurde ihm seine Weigerung zur NSDAP zu wechseln vorgehalten. Auch seine Hilfe für einen jüdischen Nachbarn während des Novemberpogroms kam zur Sprache.
Auf Antrag der Gestapo in Düsseldorf beim Reichssicherheitshauptamt wurde Wilhelm Frede in das KZ Sachsenhausen überstellt. Der 66-Jährige starb nach wenigen Wochen. Seine Leiche wurde eingeäschert.

Nikolaus Groß
Nikolaus Groß war Bergmann und engagierte sich in der katholischen Arbeiterbewegung. Er stammte aus einem kleinen Ort, der heute zu Hattingen gehört. 1927 wurde er Schriftleiter der Westdeutschen Arbeiterzeitung. Sein Lebensschwerpunkt verlagerte sich nach Köln. Den Nationalsozialismus hielt er für unvereinbar mit der katholischen Weltanschauung. Groß bewegte sich in einem Zirkel katholischer Oppositioneller, der überregionale Kontakte zu anderen Widerstandsorganisationen hatte. Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 wurde er verhaftet und vom so genannten Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, obwohl man ihm schlimmstenfalls eine oppositionelle Haltung und ein vages Wissen vorwerfen konnte. Er wurde in der Haftanstalt in Berlin-Plötzensee erhängt. Seine Leiche wurde verbrannt und über den Rieselfeldern bei Berlin verstreut.

Es ist seine Bergmannslaterne, die in der Krypta ein ewiges Licht spendet.

Johannes Maria Verweyen
Prof. Dr. Johannes Maria Verweyen war Hochschullehrer und unterrichte als außerordentlicher Professor Philosophie an der Universität in Bonn. Er wuchs in Kleve auf. Nachdem er Mitglied verschiedener Religionsgemeinschaft gewesen war, kehrte Dr. Verweyen Mitte der 1930er Jahre in die katholische Kirche zurück. Bereits zu Beginn der NS-Diktatur war er als Professor entlassen worden. Seinen Lebensunterhalt verdiente er danach als Buchautor und Vortragsreisender. In diesem Zusammenhang fiel er der Gestapo Düsseldorf auf, insbesondere weil er die Rassetheorie der Nazis aus katholischer Sicht verwarf. Im Sommer 1941 wurde er während einer Vortragsreise in Frankfurt verhaftet, 1942 in das KZ Sachsenhausen eingeliefert. Im Februar 1945 brachte man ihn in das KZ Bergen-Belsen, wo er am 21. März 1945 an Fleckfieber starb – drei Wochen vor der Befreiung des Lagers.

Hier finden Sie den Sprechtext „Lebensläufe der neuzeitlichen Märtyrer im Dom St. Viktor in Xanten“.

Sprecherin: Dr. Ingrid Schupetta
Autorin: Dr. Ingrid Schupetta
Dieser Text darf zu privaten Zwecken gerne kopiert werden. Zur Veröffentlichung an anderer Stelle ist das Einverständnis der Autorin einzuholen.

Weiterlesen:
Helmut Moll (Hg.), Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, Bd. 1, Paderborn 2000.

Tipp: siehe Kevelaer
Die Priesterweihe von Karl Leisner wird auf einer Pforte an der Marienbasilika in Kevelaer dargestellt. Sie ist eine weitere Arbeit von Bert Gerresheim.

Gedenkstätte an den kirchlichen Widerstand in der Krypta des Doms St. Viktor
Kapitel
46509 Xanten
Öffnungszeit: Die Krypta ist während der Öffnungszeiten des Domes zugänglich. Von April bis Oktober ist in der Woche von 10.00 bis 18.00 Uhr geöffnet, sonntags erst ab 14 Uhr. Im Winter schließt der Dom eine Stunde früher. Während der Gottesdienste ist eine Besichtigung nicht gestattet.

Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Vom Bahnhof Xanten sind es etwa 10 Fuß-Minuten bis zum Dom St. Viktor. Der Weg führt über die Hagenbuschstraße, Klever Straße und Kurfürstenstraße zum Marktplatz.