Horn (NL)
Die Mühle "De Hoop"
Wir stehen hier vor der Mühle „De Hoop“. Sie wurde 1817 gebaut und ist die einzige Holländermühle mit sechzehn Ecken, die es in den Niederlanden noch gibt. Gegen Ende des 2. Weltkrieges war sie, wie die anderen hohen Gebäude in der Nachbarschaft der Maas, von der Zerstörung bedroht. Die deutschen Besatzer wollten nicht, dass sie in der Hände der Alliierten fielen. Denn Mühlen und Kirchtürme konnten gut als Aussichtspunkte dienen.
Die Mühle "De Hoop" bei Horn
Wir stehen vor einer Getreidemühle, die in deutscher Übersetzung den schönen Namen „die Hoffnung“ trägt. Das Baujahr 1817 muss ein Glücksjahr gewesen sein, denn wenn es nach den deutschen Besatzern gegangen wäre, hätte dieses Denkmal das Ende des Zweiten Weltkrieges nicht erlebt. Und nun ist diese Mühle die einzige in den Niederlanden, die noch sechzehn Ecken hat. Sie ist sehr groß. Von der einen Flügelspitze bis zur gegenüberliegenden sind es etwa 22 Meter. Das sind fast 12 Hollandfahrräder hintereinander gestellt.
Die Deutschen wollten zum Kriegsende 1944/45 grundsätzlich nicht, dass hohe Gebäude in die Hände der Alliierten fielen. Denn Mühlen, Kirchtürme oder dergleichen konnten den vorrückenden feindlichen Truppen als Orientierungs- und Aussichtspunkte dienen. Von hoch oben hätten sie beispielsweise auskundschaften können, wohin sich die deutschen Truppen zurückzogen. Alliiertes Artilleriefeuer hätte dann in diese Richtung gelenkt werden können.
Derartige Befürchtungen waren keineswegs unberechtigt. Nachdem die Mühle „De Hoop“ als einziges hohes Gebäude im Umkreis stehen geblieben war, wurde sie tatsächlich von den Alliierten erobert und genutzt.
Die Zerstörung hoher Gebäude in der Nähe der Maas war von einem deutschen Sprengkommando systematisch vorbereitet worden. Die Soldaten hatten überall Sprengladungen angebracht. Sie sollten gezündet werden, sobald der Gegner in Sicht kam. Die deutschen Pioniere gingen dabei nicht gerade zimperlich zu Werke. Sie begnügten sich nicht mit der Sprengung der Kirchturmspitzen, sondern jagten bevorzugt ganze Kirchengebäude in die Luft. Dafür war natürlich viel mehr Dynamit nötig, aber das musste man wenigstens nicht in schweren Kisten die Kirchturmtreppen hinaufschleppen.
Hier in Hoorn kam aber etwas dazwischen. Nach einer kurzen Pause nach der Befreiung von Venray Mitte Oktober 1944 flammten im November 1944 die Kämpfe in diesem Gebiet wieder auf. Daraufhin brachten deutsche Pioniere in der Nacht vom 15. auf den 16. November eine Sprengladung in der Mühle an. Noch während sie damit beschäftigt waren, geriet Horn plötzlich unter schweres Artilleriefeuer. Das war das Zeichen, dass der britische Angriff auf die deutsche Front zwischen dem Weesen-Niederweert-Kanal im Westen und der Maas im Osten begonnen hatte. Die deutschen Soldaten brachten sich in Sicherheit, ohne die Sprengladung zünden zu können. Es war ihnen zu gefährlich zurückzukehren und einen weiteren Versuch zu unternehmen.
Die Mühle wurde zwar bei den Kampfhandlungen leicht beschädigt. Sie konnte aber schon bald nach dem Krieg wieder restauriert werden. Wie schon gesagt, die Mühle „De Hoop“ hat Glück gehabt.
Leider sind zahllose Türme in Limburg bedeutend weniger glücklich davon gekommen. Einen Tag früher, am 15. November um 22 Uhr, wurde zum Beispiel der Kirchturm der hier ganz in der Nähe liegenden Ortschaft Baexem durch eine deutsche Sprengladung zerstört. Zwar hatten die Deutschen den Ortsgeistlichen mit den Worten „Herr Pfarrer, nur die Spitze“ zu beruhigen versucht, das Kirchengebäude wurde trotzdem stark in Mitleidenschaft gezogen. Ähnliches gilt für die Kirche von Haelen, auch nur ein paar Kilometer weit entfernt. Hier in Horn, wo seit 1935 eine neue Kirche stand, blieb es glücklicherweise im Wesentlichen bei einem Verlust der Turmspitze. Sie nahm zwar im Fall noch 40.000 Dachpfannen mit, trotzdem war es ein überschaubarer Schaden.
Die Gesamtbilanz der deutschen Sprengaktion ist traurig. Im Bistum Roermond gab es zu der Zeit 270 Kirchen, davon wurden 117 beschädigt. Bei etwa 60 Kirchengebäuden war der Schaden so groß, dass man sie als Totalverluste bezeichnen muss.
Warum nur reagierten die Besatzer so rigoros in Bezug auf die Turmspitzen? Hatte die Maas eine so große strategische Bedeutung? Das ist eine sehr berechtigte Frage, denn ein Stück weiter Richtung Osten kommt schon der Rhein. Der Strom ist viel breiter und war ein viel größeres Hindernis für den Vormarsch der alliierten Truppen.
Nein, die strategische Bedeutung hatte nicht so sehr die Maas, sondern der gleich dahinter gelegene Westwall, eine Verteidigungslinie, die von den Alliierten auch als Siegfriedlinie bezeichnet wurde. Diese Verteidigungsstellungen lagen allesamt nur wenige Kilometer östlich der Maas. Im Süden, in der Nähe von Roosteren und Susteren, waren es zum Beispiel nur 6 Kilometer. So hätten die Alliierten von oben wahrscheinlich wirklich gut auskundschaften können, wohin sich die Deutschen zurückzogen und verschanzten. Auch die Vorbereitungen zu einem deutschen Angriff wären möglicherweise gut zu beobachten gewesen. Denn Hitler als Heerführer war der Auffassung, dass Angriff, auch Gegenangriff, die beste Verteidigung sei. Und so mussten also die Türme vom Feld geräumt werden.
Um den Verlust der Kirchen und Mühlen nicht allein der deutschen Zerstörungswut anzulasten, muss man der Wahrheit halber aber auch sagen, dass die Alliierten ebenfalls hohe Gebäude ins Visier nahmen. Sie konnten dort deutsche Wachtposten vermuten. So manche Kirche nahm durch britische Granaten und Raketen Schaden.
Man kann daraus schlussfolgern, dass hohe Gebäude in Zeiten des Krieges ein hohes Risiko tragen, so oder so. Oder dass es ein ungeheures Glück ist, dass die Mühle „De Hoop“ den Krieg überstanden hat. Sie ist also wirklich ein Zeichen der Hoffnung.
Hier finden Sie den Sprechtext „Die Mühle „De Hoop“ bei Horn“.
Sprecher: Wolfgang Reinke
Autor: Erik van den Dungen
Übersetzerin: Dr. Ingrid Schupetta
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