Mönchengladbach
Schloss Rheydt als Gästehaus für Joseph Goebbels
Schloss Rheydt wurde in den Jahren 1939 bis 1941 zu einem Gästehaus für den Nazi-Propagandaminister Dr. Joseph Goebbels ausgebaut. In den oberen Etagen entstanden Gästezimmer für den Ehrenbürger der Stadt und seine Begleitung, darunter Repräsentationsräume. Rheydt ließ sich den Umbau einiges kosten. Die Stadt beschäftigte einen der damaligen Stararchitekten, den Direktor der Kunstakademie in Düsseldorf Emil Fahrenkamp. Von den Umbauten ist nur noch wenig zu erkennen. Eine Dokumentation im Untergeschoss des Herrenhauses gibt einigen Aufschluss und zeigt auch einige Einrichtungsgegenstände des Gästehauses.
Rheydt war die Geburts- und Heimatstadt von Joseph Goebbels. Obwohl er die Stadt praktisch nach dem Abitur verlassen hatte, gab es noch Familienangehörige und Bekannte, zu denen Goebbels Verbindung hielt. Nach den Kommunalwahlen 1933 wurde Goebbels Ehrenbürger der Stadt. Die Rheydter meinten ihm zu verdanken, dass die ungeliebte Vereinigung mit München-Gladbach 1933 wieder rückgängig gemacht wurde. Nach dem Krieg erlosch die Ehrenbürgerschaft. Als Peinlichkeit ist sie jedoch nicht aus der Stadtgeschichte zu streichen.
Schloss Rheydt als Gästehaus für Joseph Goebbels in Mönchengladbach
Zäh hält sich das Gerücht, die Stadt Rheydt habe ihrem Ehrenbürger Joseph Goebbels das Schloss Rheydt geschenkt. Wie in den meisten Gerüchten, steckt auch in diesem ein Körnchen Wahrheit: Der Nazi-Propagandaminister Dr. Joseph Goebbels war von 1933 bis 1945 tatsächlich Ehrenbürger von Rheydt. Und das Schloss hat die Stadt ihm zwar nicht geschenkt, aber noch während des Krieges zu einem Gästehaus zu seiner Verfügung umbauen lassen. Dass das etwa 800 000 Reichsmark aus der Stadtkasse kostete, blieb vorsichtshalber ein Geheimnis.
Um ein Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert für die Ansprüche eines Ministers im 20. Jahrhundert herzurichten, waren umfangreiche Baumassnahmen notwendig. In den oberen Etagen musste das Stadtmuseum Gästezimmern mit bescheidenem Luxus weichen. Unten wurden Räume für repräsentative Zwecke geschaffen. Neue Badezimmer und moderne Toiletten waren nötig. Die kunsthistorisch wertvollen Renaissance-Kamine wurden bei der Renovierung zerstört. Eine Elektroheizung wurde stattdessen eingebaut. Für rustikalen Anschein sorgten funktionslose Balken aus Eiche und Eichentüren. Als Architekten für den Umbau beschäftigte Rheydt den damaligen Direktor der Kunstakademie Düsseldorf Prof. Emil Fahrenkamp. Fahrenkamp war mit den Nationalsozialisten gut im Geschäft. Er baute zum Beispiel für den Kunstliebhaber und Reichminister Hermann Göring die Malerschule Kronenburg in der Eifel.
Eine Dokumentation der Baumassnahme 1939 bis 1941, ergänzt mit Kopien einiger historischer Fotografien, finden Sie im heutigen Museum Schloss Rheydt. Wenn Sie gezielt nach Zeugnissen dieses Teils der Geschichte suchen, sollten sie als erstes in das Herrenhaus gehen. In einem Raume im Untergeschoss gibt es neben erklärenden Texten auch noch Stücke aus der von Fahrenkamp ausgesuchten oder entworfenen Einrichtung: ein chinesischer Pflanztopf, ein bestickter Kaminschirm, ein Wandtischchen, zwei Wandleuchter, ein dreibeiniger Stuhl mit dem Wappen von Rheydt – einem Renaissance-Vorbild nachempfunden – und ein großer Tisch. Die Teile lassen auf ein gemischtes Ganzes schließen: kostbare Antiquitäten, Pseudo-Mittelalter und Nazi-Piefeligkeit.
Auch über die Umbauten und die Möbel hinaus war das Herrenhaus komplett ausgestattet. Der Goebbels-Trakt hatte eigenes Geschirr und eigenes Besteck, eigenes Bettzeug und eigene Handtücher. Diese Dinge sind derzeit in der Ausstellung „Flashback“ zu sehen. Dazu müssen Sie aus dem Herrenhaus zurück in Richtung Eingang und in das niedrige Gebäude links wechseln.
***
Ob sich der Reichspropagandaminister der hier ausgestellten getupften Frottierware je bedient hat, muss unbeantwortet bleiben. Viel Gelegenheit dazu hatte er jedenfalls nicht. 1942, im Jahr der Fertigstellung, war er zwar zweimal in Rheydt, übernachtete aber höchstens einmal in der Stadt. Man sagt, dass er das bequemere Palast-Hotel vorzog. Dabei hätte er sich in den Gästezimmern im Schloss aus einer nach seinen Bedürfnissen zusammengestellten Bibliothek oder aus einer Sammlung mit mindestens 400 Schallplatten bedienen können.
Ob die Beziehung zwischen Goebbels und Rheydt tatsächlich so innig war, wie zeitweise behauptet wurde, mag bezweifelt werden. Gobbels ist zwar in Rheydt aufgewachsen und in die Schule gegangen. Nach dem Studium ist er aber nur für kurze Zeit zurückgekehrt. Er hatte Probleme eine Arbeit zu finden. In dieser Zeit – um 1924 – gründete er den Ortsverein einer Vorläufergruppe der NSDAP in München-Gladbach und zog als Nazi-Propagandist am Niederrhein und im Bergischen Land von Ort zu Ort. Als auffiel, dass seine Hetzreden und Wortergüsse beim Publikum gut ankamen, machte er eine Blitz-Karriere ― und verließ seine Heimatstadt wieder.
1929 wurde aus München-Gladbach und Rheydt die Stadt Gladbach-Rheydt. Diese in Rheydt außergewöhnlich unpopuläre Entscheidung wurde nach 1933 rückgängig gemacht. Goebbels verkündete dies bei einem Besuch in der Stadt. Der Jubel muss überwältigend gewesen sein. Wenn man Goebbels eigenen Aufzeichnungen trauen will, plante er den großen Auftritt weniger aus Lokalpatriotismus als zur Genugtuung für seine Mutter. Sie hatte unter dem schlechten Ruf des Sohnes lange zu leiden gehabt.
So war es vielleicht nicht die schlechteste Idee der Stadtväter, den einzigen prominenten Nazi vom Niederrhein durch das Angebot eines Gästehauses stärker an die Stadt zu binden. 1945 zeigte sich Goebbels von den Rheydter Bürgern, die sich den Amerikanern kampflos ergaben, allerdings schwer enttäuscht. Im März 1945 wollte er nie wieder nach Rheydt zurückkehren. Im Mai begingen er und seine Frau gemeinsamen Selbstmord – nachdem Magda Goebbels ihre sechs Kinder vergiftet hatte.
In Mönchengladbach flammte seit dem die Debatte um den peinlichen Ehrenbürger immer wieder auf. Natürlich ist er heute kein Ehrenbürger mehr. Aber dass er einmal einer war, das kann man bei aller Distanzierung nicht wegdiskutieren.
Sprecher: Wolfgang Reinke
Autorin: Dr. Ingrid Schupetta
Dieser Text darf zu privaten Zwecken gerne kopiert werden. Zur Veröffentlichung an anderer Stelle ist das Einverständnis der Autorin einzuholen.
Weiterlesen:
www.moenchengladbach.de
Christoph Heuter, Emil Fahrenkamp 1885–1966. Architekt im rheinisch-westfälischen Indvustriegebiet, Petersberg 2002.
in Vorbereitung: Peter Longerich, Joseph Goebbels. Eine Biografie.