Helden (NL)

Die Erinnerungsstätte an den "Arbeitseinsatz"

Das Museum “’t Land van Peel en Maas” beherbergt einen besonderen Raum, der an einen außerordentlichen Vorfall in der Geschichte der Region erinnert, die „Große Kirchenrazzia“. Im Herbst 1944 wurden 2.000 Männer von 16 bis 60 Jahren unmittelbar nach dem sonntäglichen Kirchgang festgenommen und zum „Arbeitseinsatz“ nach Deutschland deportiert. Das Holz, mit dem der Raum im Museum ausgekleidet ist, stammt aus einer Original-Zwangsarbeiterbaracke aus Niedersachsen, in der Niederländer untergebracht waren.

Gegen Kriegsende wurden in der deutschen Wirtschaft händeringend Arbeitskräfte gesucht. Das führte letztlich zu der Zwangsrekrutierung von Arbeitskräften in den von Deutschland besetzten Gebieten. Man kann das als moderne Sklaverei bezeichnen, besonders wenn man betrachtet, wie dies im Detail durchgeführt wurde.

Am 8. Oktober 1944, einem Sonntagvormittag, umstellten deutsche Soldaten 45 Dörfer in der Provinz Limburg um Gottesdienstbesucher festzunehmen. In Helden griffen sie 135 männliche Einwohner beim Verlassen der Kirche auf und setzen sie in Richtung Venlo in Marsch – kaum dass die Frauen ihre Männern und Söhne mit Kleidung und Decken versorgen konnten. In Venlo standen Viehwaggons zum Abtransport nach Deutschland bereit.

In den Arbeitslagern herrschten unglaubliche Zustände und bei der Arbeit war es oft kaum besser. Durch Unfälle, Krankheit, Erschöpfung und Bombenangriffe kamen beim „Arbeitseinsatz“ in Deutschland 30.000 Niederländer ums Leben. Von den im Oktober 1944 aus Helden deportierten Männern starb glücklicherweise nur einer.

Die Erinnerungsstätte an den Arbeitseinsatz in Helden

m Museum „’t Land van Peel en Maas“ befindet sich ein Raum, der an die Zwangsarbeit von Niederländern in Deutschland erinnert. Er ist wie eine Zwangsarbeiterbaracke eingerichtet. Das Holz stammt aus einer Original-Baracke der Polte-Werke in Duderstadt, wo Zwangsarbeiter aus verschiedenen Ländern beschäftigt waren. Hier wird insbesondere an eine Razzia erinnert, bei der im Herbst 1944 tausende Limburger beim Verlassen ihrer Kirchen aufgegriffen wurden, um sie nach Deutschland zu deportieren.

Gegen Ende des Krieges wurden in der deutschen Industrie nämlich mehr als dringend weitere Arbeitskräfte gebraucht. Das lag daran, dass die wehrfähigen deutschen Arbeiter einberufen worden waren – erst an die Ostfront, und, ab dem Juni 1944, verstärkt auch an die Westfront. Um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen, hatten die Nazis schon verschiedene Methoden ausprobiert. Zunächst hatte man in den besetzten Gebieten versucht, Arbeiter auf freiwilliger Basis anzuwerben. Aber es gab nicht genug Freiwillige. Schon gar nicht genug, um die deutsche Kriegsproduktion in Gang zu halten.

Schnell wurde der Druck verstärkt. Die Bewohner der besetzten Gebiete wurden zur Arbeit verpflichtet. Auch im niederländischen wurde das deutsche Wort „Arbeitseinsatz“ für diese Form von Zwangsarbeit verwendet. Man kann es als moderne Form der Sklaverei bezeichnen, dass schließlich niederländische Männer gruppenweise verhaftet wurden, um zur Arbeit nach Deutschland gebracht zu werden.

Am 8. Oktober 1944 wurden innerhalb eines Tages ungefähr 2.000 Männer in dem Gebiet zwischen Peel und Maas bei Razzien aufgegriffen. So wie sie waren, wurden sie nach Deutschland deportiert. Weil die meisten verhaftet wurden, als sie nach der Messe am Sonntagvormittag die Kirche verließen, ist dieser Willkürakt als die „Große Kirchenrazzia“ in die Geschichte der Niederlande eingegangen.

Sie wurde planmäßig ausgeführt. Lautlos umzingelten deutsche Soldaten an dem Morgen dutzende Dörfer in Mittel-Limburg. Sie warteten auf den Moment, an dem die Menschen aus dem Sonntagsgottesdienst kamen. Alle Jungen und Männer von 16 bis 60 Jahren wurden noch an der Kirchentür aussortiert. Allein in Helden traf es 135 Menschen. Die Frauen eilten nach Hause, um Kleidung und Decken für ihre Söhne und Männer zu holen. Danach mussten letztere nach Venlo abmarschieren. Dort standen Viehwaggons am Bahnhof bereit. Die Männer wurden hineingetrieben. Noch an dem Abend fuhr der Zug ab – mit unbestimmtem Ziel irgendwo in Deutschland.

Einigen war es gelungen, zu entkommen. Aber andere Männer wurden, bei dem Versuch, der Razzia zu entgehen, niedergeschossen. In den Wochen nach dem 8. Oktober wurden noch 1.000 weitere Männer gestellt und in deutsche Arbeitslager gebracht. Mitunter gerieten die Züge unter alliierten Beschuss, dabei kamen auch gefangene Niederländer ums Leben.

Die Limburger wurden mehrheitlich in das Ruhrgebiet und nach Niedersachsen gebracht. An den Bestimmungsorten waren die Lebensumstände furchtbar. Schlafen auf dem Fußboden, mangelhafte sanitäre Anlagen und dünne Kohlsuppe bildeten eine schlechte Grundlage für die Zwangsarbeit. Die Arbeitsbedingungen waren nicht viel besser als die Lebensbedingungen.

Unter ähnlichen Umständen kamen insgesamt 30.000 Niederländer bei der Zwangsarbeit in Deutschland ums Leben. Sie starben an Krankheiten und völliger Erschöpfung. Zum Teil wurden sie aber auch Opfer der alliierten Bombenangriffe auf die deutsche Kriegsindustrie.

Die Überlebenden wollten nach dem Krieg so schnell wie möglich in die Niederlande zurück, aber das war nicht so einfach. Die Alliierten rückten immer noch vor, die Verkehrsverbindungen waren unterbrochen und es mussten zunächst gültige Ausweispapiere beschafft werden — alles Gründe, warum sich die Rückkehr teils um Monate verzögerte. Schließlich kehrten die meisten der während der „Große Kirchenrazzia“ aufgegriffenen Limburger Jungen und Männer wieder nach Hause zurück: ausgemergelt, verstört, einige für das Leben gezeichnet. Aber sie konnten sich glücklich schätzen, dass sie überlebt hatten. Schließlich waren 131 der deportierten Limburger ums Leben gekommen. Unter den 135 aus Helden deportierten, gab es glücklicherweise nur einen Toten zu beklagen.

Nun zur Heiligen Lambertuskirche in Helden, wo sich ein Teil des Dramas abgespielt hatte. Seit 2004 erinnert daran eine Gedenktafel an der Kirchenmauer daran. Hier die Inschrift in deutscher Übersetzung:
„Spuren, die bleiben. Im Herbst 1944 wurden in der Region zwischen Maas und Peel 3.000 Jungen und Männer bei Razzien durch die Nazis aufgegriffen und zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert. Diese Ereignisse kosteten 120 Männer das Leben und hinterließen eine bleibende Wunde bei denen die Überlebten und denen die zu Hausse zurückblieben. Aus dem Dorf Helden wurden 135 Personen deportiert. Von Ihnen überlebte einer den Krieg nicht.“

Die Razzia aber war nicht das einzige traurige Ereignis, dass sich hier zutrug. Im November 1943 war auch die Lambertuskirche vom Glockenraub betroffen gewesen. Damals sammelten die deutschen Besatzer die kostbaren Bronzeglocken aus den Kirchen ein, um das Metall in der Rüstungsindustrie zu verwenden. Die große Glocke aus dem Jahre 1673 blieb erhalten, obwohl sie demontiert worden war. Aber die kleine Glocke aus dem Jahr 1759 verschwand ohne weitere Spuren in einer Gießerei.

Ein Jahr später, im November 1944, wurde die alte Kirche von einem deutschen Kommando gesprengt. Nach der Explosion standen nur noch die Außenmauern. Nach einigem Hin- und her wurde der Wiederaufbau beschlossen. Die alten Mauern bilden seit 1952 den unteren Teil der neuen Kirche.

Eine Bemerkung noch zum Schluss:
In 45 Ortschaften in Mittel-Limburg finden sie die kleinen schwarzen Plaketten mit weißer Schrift, die unter der gemeinsamen Überschrift „Sporen die bleven“ an die Kirchenrazzia erinnern. Sie können eine Vorstellung vermitteln, wie sehr dieses Ereignis in das tägliche Leben der Menschen eingegriffen und wie tief es sich in das kollektive Gedächtnis der Region eingegraben hat.

Hier finden Sie den Sprechtext „Die Erinnerungsstätte an den Arbeitseinsatz in Helden“.

Sprecher: Wolfgang Reinke
Autor: Erik van den Dungen
Übersetzerin: Dr. Ingrid Schupetta
Dieser Text darf zu privaten Zwecken gerne kopiert werden. Zur Veröffentlichung an anderer Stelle ist das Einverständnis des Autors einzuholen.

Weiterlesen:
Alfred P. Cammaert, Sporen die bleven: razzia’s en deportaties in de herfst van 1944 in Noord- en Midden-Limburg, Panningen 1996 /2005, mit einer Zusammenfassung in englischer Sprache.

Ton van Reen, Gestohlene Jugend, Grafenau 2008, (Taschenbuchausgabe eines Romans, der auch für Jugendliche geeignet ist)

Ehemalige Synagoge
Streekmuseum (Regionalmuseum) ‘t Land van Peel en Maas, Aan de Koeberg 4
5988 NE in Helden (Gemeente Peel en Maas)
Öffnungszeiten: Das Museum ist von Mai bis einschließlich September von Dienstag bis Sonntag von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Im Herbst und Winter ist das Museum nur Sonntag und Mittwoch zugänglich. Grundsätzlich geschlossen ist Weihnachten und Neujahr.

Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Am Bahnhof Venlo steigt man in den Veolia-Bus 61 Richting Meijel ein. Die Bushaltestelle “Kubke” in Helden ist in zwei Minuten Laufweite vom Mariaplein entfernt, wo die Kirche steht. Das Museum ist von dort in 5 Minuten zu Fuß zu erreichen.